Nach
dem Auffliegen des rechten Terror-Netzes, das von Thüringen
und Sachsen aus offenbar mehrere Morde und Anschläge
in ganz Deutschland geplant und ausgeführt hat, stehen
die Ermittler offenbar vor einem Durchbruch: Wie die Stuttgarter
Nachrichten berichten, will die 36-jährige Beate Z.
aussagen. Sie sitzt zurzeit wegen des dringenden Verdachtes
der Mitgliedschaft in der Gruppierung "Nationalsozialistischer
Untergrund" (NSU) in Haft.
Z. soll gemeinsam mit Uwe B. und Uwe M., die mittlerweile
Selbstmord begangen haben, Kopf der gewaltbereiten kriminellen
Vereinigung gewesen sein. Unklar ist, ob Beate Z. im Fall
einer Aussage die Kronzeugenregelung zu Gute kommt. Dies
würde für sie zumindest eine deutliche Strafmilderung
bedeuten.
Verbindungen nach Österreich
Die rechtsextremen Terroristen hatten offenbar auch Kontakte
zur österreichischen Neonazi-Szene. Der österreichische
Rechtsextremist Gottfried Küssel sei vor vier Jahren
als Gastredner beim rechtsextremen "Fest der Völker" im
thüringischen Jena aufgetreten, das zwei Kameraden
der mutmaßlichen Terroristen organisierten, meldete
die Wochenzeitung "Falter" am Dienstagabend aus
ihrer neuen Ausgabe.
Die beiden Organisatoren Andre K. und Ralf W. bildeten mit
den mutmaßlichen Mördertrio des "Nationalsozialistischen
Untergrundes" (NSU), der seit 2000 mindestens zehn Menschen
ermordet haben soll, die rechtsextreme "Kameradschaft
Jena", heißt es in dem "Falter"-Bericht.
Andre K. sei im Herbst 1996 mit zwei der Terroristen vor
Gericht aufmarschiert. Er wird Medienberichten zufolge verdächtigt,
dem Nazi-Trio beim Untertauchen geholfen zu haben. Küssel
sei im Jahr 2009 neuerlich vor ostdeutschen Neonazis aufgetreten.
Der Sprecher des österreichischen Innenministeriums,
Karl-Heinz Grundböck, wies auf APA-Anfrage darauf hin,
dass sich Küssel derzeit in Untersuchungshaft befindet.
Allein daraus sei ersichtlich, dass die rechtsextreme Szene
in Österreich "unter Beobachtung" stehe. "Wir
sehen keinen Anlass zur Sorge", betonte der Sprecher. Die
Aufdeckung der rechtsextremen Gruppierung "Nationalsozialistischer
Untergrund" (NSU) im deutschen Zwickau, die der sogenannten "Döner-Morde" und
weiterer Anschläge verdächtigt wird, hat am Dienstag
zu regen Debatten in Deutschland geführt. Die deutsche
CDU setzte sich dafür ein, die Chancen für ein
Verbot der rechtsextremen NPD vor dem Hintergrund der Mordserie
von Neonazis zu prüfen. Dies beschloss der Parteitag
in Leipzig am Dienstag einstimmig. Der Antrag war auch
von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel unterstützt
worden.
Innenminister Friedrich skeptisch über neues NPD-Verbotsverfahren
Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sieht
ein neuerliches NPD-Verbotsverfahren dagegen skeptisch.
Als Voraussetzung dafür müssten sämtliche
Verbindungsleute, "V-Leute", abgezogen werden,
sagte Friedrich am Dienstag im Bayerischen Rundfunk.
Die Sicherheitsbehörden hätten dann über
Jahre keinen Einblick in die Strukturen der rechtsextremen
Partei und des Umfelds. "Das ist außerordentlich
riskant", sagte Friedrich. Die bayerische Staatsregierung
aus CSU und FDP stellte sich dagegen hinter einen neuen
Anlauf für ein NPD-Verbot.
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte ein erstes
Verfahren für ein Verbot der NPD 2003 gestoppt, weil
Verbindungsleute des Inlands-Geheimdienstes in dieser Partei
aktiv waren. Das höchste Gericht ist allein für
ein Verbot einer Partei in Deutschland zuständig.
Verfassungsschutz im Kreuzfeuer der Kritik
Im Zuge der Aufdeckung der Mordserie war auch der Verfassungsschutz
ins Zwielicht geraten. Es geht dabei vor allem um die
Frage, warum die Ermittlungsbehörden nicht früher
auf die Spur der NSU gekommen waren.
Das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages
(PKG) will die Vorgänge um die Zwickauer Terrorgruppe
im Zuge eigenständiger Ermittlungen untersuchen. Der
PKG-Vorsitzende Thomas Oppermann (SPD) sagte am Dienstag
nach einer Sitzung des Gremiums, für die Ermittlungen
sollten die Akten der Landesverfassungsschutzämter
in Hessen und Thüringen angefordert werden. Er räumte
ein, dass die Landesbehörden dazu aber nicht verpflichtet
seien und zur Kooperation bereit sein müssten. Der
Geheimdienstausschuss des Deutschen Bundestags war am Dienstag
in Berlin zusammengekommen, um sich über die Rolle
des Verfassungsschutzes im Fall der Zwickauer Neonazi-Zelle
zu informieren.
Polizei prüft weitere Verbrechen auf rechten Hintergrund
Die Polizei im westdeutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen
prüft, ob weitere ungeklärte Verbrechen an
Ausländern auf das Konto der Neonazi-Terrorgruppe
gehen. Im Landeskriminalamt arbeite seit Freitagabend
eine "deutlich zweistellige" Zahl von Ermittlern
daran, alte Fälle auf Bezüge zu dem Zwickauer
Trio zu untersuchen, sagte ein LKA-Sprecher am Dienstag
in Düsseldorf.
Ex-Bundesrichter Schäfer prüft Arbeit der Geheimdienste
Unterdessen soll der ehemalige deutsche Bundesrichter Gerhard
Schäfer die Rolle des Thüringer Verfassungsschutzes
im Falle der jahrelang untergetauchten rechtsextremen
Terrorzelle untersuchen. Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft
reagierte auf Vorwürfe, den Ermittlern seien damals
im Zusammenhang mit den Sprengstofffunden möglicherweise
Fehler unterlaufen und kündigte eine Prüfung
an.
Das Simon Wiesenthal Center rief die deutschen Behörden
in einer Aussendung am Dienstag dazu auf, ihre Ermittlungen
zum NS-Terror auszuweiten. Sie sollten auch die Frage beantworten, "ob
möglicherweise die gleichen Beamten, die entweder
mit Neonazi-Terroristen zusammenarbeiteten oder ihre kriminellen
Aktivitäten ignorierten, auch an der Verhinderung
der Strafverfolgung von NS-Verbrechern oder NS-Kriegsverbrechern
beteiligt waren". Das Wiesenthal Center meinte, dass
anders als in den meisten Bundesländern, wo es eine
ganze Reihe von Ermittlungsverfahren oder auch Gerichtsverfahren
gegeben habe, in Thüringen in den vergangenen Jahren
keine NS-Täter vor Gericht gestellt worden seien und
es auch keine Ermittlungsverfahren gegeben habe.
Beate Z., Uwe B. und Uwe M. stehen im Verdacht, 1998 die
rechtsextreme Gruppierung "Nationalsozialistischer
Untergrund" (NSU) gegründet zu haben. Sie sollen
hinter einer deutschlandweiten Serie von Morden an neun
Kleinunternehmern ausländischer Herkunft in den Jahren
2000 bis 2006 stehen und auch für den Mord an einer
Heilbronner Polizistin im April 2007 verantwortlich sein.
Darüber hinaus wird die Gruppe verdächtigt, mehrere
Bombenanschläge verübt zu haben. Die Polizei
kam dem Trio erst auf die Spur, als sich Uwe B. und Uwe
M. nach einem Banküberfall das Leben nahmen. Beate
Z. stellte sich der Polizei.
Weiterer Unterstützer für die Terror-Zelle
Die Zwickauer Terrorzelle hatte einem Medienbericht zufolge
womöglich einen weiteren Unterstützer aus der
rechtsextremen Szene. Wie das ARD-Magazin "Fakt" am
Dienstag unter Berufung auf eigene Recherchen im Voraus
berichtete, soll der 34-Jährige die Wohnung in Zwickau
angemietet haben, in der das Trio zuletzt wohnte. Zudem
sei der im sächsischen Johanngeorgenstadt lebende
Mann auch Mieter jener Wohnung gewesen, in der Beate
Z. zuvor zwischen 2001 und 2008 unter falschem Namen
gelebt haben soll.
War hessischer Geheimdienstler am Tatort?
Ein ehemaliger Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes
rückte Medienberichten zufolge ebenfalls im Zusammenhang
mit der Zwickauer Terrorzelle in den Fokus der Ermittlungen.
Zu den Berichten, der Mitarbeiter sei an mehreren Tatorten
vor Ort gewesen, sagte Oppermann, der Mann sei an einem
davon gewesen. Der Mann habe eine rechte Gesinnung aufgewiesen. oe24.at
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