Deutschland
verfolgt Nazi-Verbrecher suboptimal / Andere Länder
versagen dabei völlig
Das Jerusalemer Simon-Wiesenthal-Zentrum spürt weiterhin
Menschen nach, die in Konzentrationslagern und Einsatzgruppen
der Nazis an Massentötungen beteiligt waren. Gestern legte
es einen Jahresbericht vor.
»Auf Grund der seit dem Holocaust
verstrichenen Zeit mag es scheinen, dass die Chancen, Nazi-Kriegsverbrecher
erfolgreich vor Gericht zu bringen, schnell schwinden, doch
tatsächlich ist das Gegenteil der Fall.« Mit diesem
Satz beginnt der englischsprachige Jahresbericht »Weltweite
Nachforschungen zu und Verfolgung von Nazi-Kriegsverbrechern« des
Jerusalemer Büros des US-amerikanischen Simon-Wiesenthal-Zentrums
(SWC). Die jüdische Organisation mit Büros in mehreren
Ländern sucht weiterhin nach NS-Tätern, um sie
vor Gericht zu bringen. Gestern stellte sie in Berlin ihren
Bericht für den Zeitraum April 2010 bis März 2011
vor.
42 Länder hat das SWC bewertet. 15 davon fallen allerdings
in die Kategorie: »Haben nicht geantwortet, aber im
begutachteten Zeitraum klarerweise keinerlei Maßnahmen
ergriffen, um Verdächtige zu überprüfen.« In
acht weiteren Ländern gebe es aktuell keine Verdächtigen.
Der Rest wird nach einem fünfstufigen Notensystem beurteilt,
dessen unterste mit »Versagen« betitelt ist und
neun Länder (darunter erneut Österreich) umfasst.
Deutschland erhält nur die zweitbeste Note, und zwar
weil hier lebende und im Ausland verurteilte Nazi-Schergen
nicht belangt werden. Die Bewertung ergibt sich aus der Anzahl
der Verurteilungen, Anklagen, begonnenen und noch laufenden
Verfahren im Begutachtungszeitraum. »Es gibt eine große
Zahl neuer und weiterhin laufender Verfahren«, sagte
gestern in Berlin Efraim Zuroff, der Leiter des Jerusalemer
SWC-Büros. »Das ist ein klares Zeichen: Das hier
ist noch nicht vorbei.« Dass die Verfolgung der Täter
weitergeht, ist gerade auch dem SWC zu verdanken. 2002 startete
es die »Operation Letzte Chance«, die mittlerweile
in Deutschland, Österreich und sieben osteuropäischen
Ländern läuft und Belohnungen von mehreren Tausend
Euro für Hinweise ausgesetzt hat, die zur Ergreifung
oder Verurteilung von NS-Mördern führen. »Als
wir ›Operation Letzte Chance‹ starteten, hätten
wir nicht gedacht, dass es einmal Teil zwei geben würde«,
hielt Zuroff fest. In einem neuen Anlauf wurde nun sogar
die Belohnungshöchstsumme auf 25 000 Euro erhöht.
Der Jerusalemer Nazi-Jäger, der seine Tätigkeit
eine »sehr frustrierende Arbeit« nennt, hat neue
Hoffnung: »Die Verurteilung von John Demjanjuk dieses
Jahr änderte alles.« In diesem Präzedenzfall
sei erstmals jemand verurteilt worden, ohne dass es um konkrete
Opfer und Verbrechen gegangen wäre. Nun könnten
auch Leute belangt werden, die permanent an der NS-Todesmaschinerie
beteiligt waren, gegen die aber keine konkreten Anklagen
vorlagen. Demjanjuk hat allerdings Berufung gegen das Urteil
eingelegt. »Eine erfolgreiche Berufung wäre ein
Desaster«, so Zuroff. neues-deutschland.de
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