"Man
muss ein klares Wort sagen können": Klaus Staeck,
Präsident der Akademie der Künste, hat Günter
Grass in Schutz genommen. Es dürfe keine "reflexhafte
Verurteilung" geben. Negativ bewerten dagegen viele
Politiker und Zeitungen die Israel-Schelte des Schriftstellers.
Berlin - Das israelkritische Gedicht von Literaturnobelpreisträger
Günter Grass sorgt weiter für hitzige Debatten.
Der Präsident der Akademie der Künste, Klaus Staeck,
nahm Grass gegen Kritik in Schutz. "Man muss ein klares
Wort sagen dürfen, ohne als Israel-Feind denunziert
zu werden", sagte Staeck der "Mitteldeutschen Zeitung".
"Die reflexhaften Verurteilungen als Antisemit" halte
er nicht für angemessen. Grass habe das Recht auf Meinungsfreiheit
und nur seiner Sorge Ausdruck verliehen. Diese Befürchtung
teile er mit vielen anderen Menschen.
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion,
Rolf Mützenich, warf Grass dagegen einseitige Kritik
vor. Grass sei sicher kein Antisemit, aber in seinem Text
gehe die Gefahr ausschließlich von Israel aus, sagte
er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Die Gefahren,
denen sich der jüdische Staat gegenübersehe, würden
hingegen verschwiegen und der iranische Präsident Mahmud
Ahmadinedschad verharmlost.
In einem am Mittwoch von der "Süddeutschen Zeitung" und
anderen internationalen Blättern veröffentlichten
Gedicht hatte der 84-jährige Autor geschrieben, dass
die Atommacht Israel durch den Streit mit Iran den ohnehin
brüchigen Weltfrieden gefährde.
Die ersten Reaktionen auf das Gedicht mit dem Titel "Was
gesagt werden muss" waren, auch in Israel, heftig. Scharfe
Kritik an Grass äußert Efraim Zuroff, Direktor
des israelischen Simon Wiesenthal Zentrums, in der "Jerusalem
Post": Der Angriff zeige die Transformation, die der
deutsche Antisemitismus in den vergangenen Jahren durchlaufen
habe: "Während Angriffe auf einzelne Juden in der
Bundesrepublik politisch inkorrekt und allgemein inakzeptabel
geworden sind, ist Israel der Prügelknabe für antisemitische
Deutsche geworden, die den Holocaust leid sind und die Verantwortung
dafür los werden wollen."
Der Zentralrat der Juden in Deutschland nannte den Text "ein
aggressives Pamphlet der Agitation". Die israelische
Botschaft in Deutschland warf Grass vor, er bediene antisemitische
Klischees. "Was gesagt werden muss, ist, dass es zur
europäischen Tradition gehört, die Juden vor dem
Pessach-Fest des Ritualmords anzuklagen", erklärte
der Gesandte Emmanuel Nahshon.
Negativ bewerten auch viele deutsche Tageszeitungen vom
Donnerstag die Äußerungen des Schriftstellers.
Die "Financial Times Deutschland" kritisiert,
dass Grass kein Wort zur Bedrohung Israels durch den Iran
findet, dessen Präsident den Holocaust und damit die
Ermordung von sechs Millionen Juden leugnet. Für Grass
sei Mahmud Ahmadinedschad nur ein "Maulheld", "der
markige Sprüche klopft und dann wohl harmlos sein soll".
In jedem Fall sei die einseitige Parteinahme von Grass falsch.
"Günter Grass wird zu Recht wegen seines Textes
angegriffen", schreibt die "Westdeutsche Zeitung".
Es gehe nicht darum, dass ein Deutscher nicht Israel kritisieren
dürfte, sondern um seine klischeehafte und faktisch
teilweise falsche Darstellung. "Er hat sich, Deutschland
und Israel geschadet."
Die "Leipziger Volkszeitung" fragt, ob Grass ein
Antisemit sei. "Nein, das ist Günter Grass nicht",
resümiert das Blatt. Die "Sächsische Zeitung" aus
Dresden meint, "es ist durchaus das Vorrecht von Schriftstellern
und Künstlern, aus dem üblichen politischen Diskurs
auszubrechen und Dinge zuzuspitzen". Diesmal habe sich
Grass aber verrannt.
Der "Tagesspiegel" aus Berlin schreibt: "Zu
fürchten ist, zu befürchten auch, dass sich hier
einer um den Ruhm schreibt, wenigstens um den Ruf, dass er
was zu sagen hätte. Weil er die Weisheit des Alters
hätte. Oder weil er eine moralische Instanz wäre.
So ist es nicht. Seine Worte sind ein Schlag gegen moralische
Integrität."
Bislang eher gedämpft sind die Reaktionen aus der deutschen
Spitzenpolitik. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte,
es gebe eine Freiheit der Kunst und eine Freiheit der Bundesregierung,
sich nicht zu jeder Äußerung äußern
zu müssen. Ohne Grass namentlich zu nennen, erklärte
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP), die Gefahren
des iranischen Atomprogramms zu verharmlosen, hieße,
den Ernst der Lage zu verkennen. spiegel.de
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