Mit
völliger Verstocktheit hat der Schriftsteller Günter
Grass (84) auf die Welle der Empörung reagiert, die
er mit seinem abstrusen Anti-Israel-Gedicht (Titel: „Was
gesagt werden muss“) ausgelöst hat.
Der Literaturnobelpreisträger nahm in mehreren Interviews
Stellung zu der einhelligen Verurteilung seiner wirren Verse.
Im Sender 3sat reagierte Grass auf die Kritik mit dem Satz: „Widerrufen
werde ich auf keinen Fall.”
In dem Gedicht, das am Mittwoch unter anderem in der „Süddeutschen
Zeitung” veröffentlicht worden war, warnt Grass
vor einem Angriff Israels auf den Iran und äußert
scharfe Kritik an der israelischen Politik. Die Atommacht
Israel gefährde den ohnehin brüchigen Weltfrieden,
indem sie das Recht auf einen atomaren Erstschlag behaupte.
In einem NDR-Interview sagte der Schriftsteller zu der breiten
Kritik an seinem Gedicht: „Es ist mir aufgefallen,
dass in einem demokratischen Land, in dem Pressefreiheit
herrscht, eine gewisse Gleichschaltung der Meinung im Vordergrund
steht.”
Der Begriff Gleichschaltung entstammt der Terminologie der
Nationalsozialisten. Als Gleichschaltung bezeichneten die
Nazis die Beseitigung der pluralistischen Gesellschaft durch
die Auflösung oder Unterstellung ehemals freier Medien,
Vereine, Gewerkschaften oder Organisationen unter die NS-Herrschaft.
Die Zeitung „Neue Westfälische“ aus Bielefeld
schrieb dazu in einem Kommentar:
„Dass aber Grass der Versuchung nicht widersteht,
die deutschen Medien einer gewissen Gleichschaltung zu zeihen
und sie damit auf die Ebene von Nazi-Medien zu heben, ist
inakzeptabel.“
Der Publizist Henry M. Broder schrieb zu den Interview-Äußerungen
des Dichters bei „Welt online“: „Es war
eine Demontage, wie man sie in dieser Form lange nicht mehr
erlebt hatte, eine intellektuelle Selbstentleibung, der Amoklauf
eines alt gewordenen Mannes, der sich so daran gewöhnt
hat, als 'moralische Instanz' und 'moralisches Gewissen'
der Nation gefeiert zu werden, dass er darüber völlig
den Bezug zur Wirklichkeit verlor.“
Weiter meint Broder: „Grass ist ein larmoyanter Autist,
der mit dem Kopf gegen die Wand rennt und hinterher darüber
jammert, dass die Wand es auf ihn abgesehen habe.“
ISRAEL WEHRT SICH GEGEN GRASS
Das Grass-Gedicht hatte nach seiner Veröffentlichung
einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
erklärte: „Die schändliche moralische Gleichstellung
Israels mit dem Iran – einem Regime, das den Holocaust
leugnet und mit der Vernichtung Israels droht – sagt
wenig über Israel, aber viel über Herrn Grass aus”,
erklärte Netanjahu.
„60 Jahre lang hat Herr Grass seine Vergangenheit
als Mitglied der Waffen-SS verschwiegen”, erklärte
Netanjahu weiter. „Daher überrascht es nicht,
dass er den einzigen jüdischen Staat auf der Welt als
größte Bedrohung für den Weltfrieden ansieht
und ihm sein Recht auf Selbstverteidigung abspricht”.
Der israelische Schriftsteller Eli Amir hat Grass vorgeworfen,
mit seinem Gedicht Hass zu säen.
In einem Beitrag für das Nachrichtenmagazin „Focus” schrieb
Amir: „Sind die Ohren des preisgekrönten Dichters
taub?” Der Autor von „Der Taubenzüchter
von Bagdad” fragt, ob Grass nicht die Ankündigungen
des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gehört
habe, Israel zu vernichten. Deutsche U-Boote schützten
die Holocaust-Überlebenden ebenso wie Flüchtlinge
aus den arabischen und muslimischen Staaten.
„Sie sollten besser, anstatt Israel anzuklagen, Deutschland
dazu anstiften, dass es zusammen mit Europa und den USA das
iranische Atomprogramm stoppt”, schrieb Amir an die
Adresse von Grass und appellierte: „Bitte Herr Grass,
tragen Sie dazu bei, die Völker zusammenzubringen, anstatt
Hass zu säen.”
HEFTIGE REAKTIONEN GEGEN DAS GEDICHT
Die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller äußerte
scharfe Kritik an Grass.
Am Rande einer Lesereise nach Tschechien sagte sie in Prag,
Grass solle sich lieber zurückhalten: „Er ist
ja nicht ganz neutral. Wenn man mal in der SS-Uniform gekämpft
hat, ist man nicht mehr in der Lage, neutral zu urteilen.”
Sie halte Grass' Äußerung nicht für ein
Gedicht: „Wenn er ehrlicher wäre, hätte er
einen Artikel geschrieben. Will er, dass es Literatur ist
und damit interpretierbar? Dort steht kein einziger literarischer
Satz drin, also ist es ein Artikel”, sagte Müller.
Dass Grass sein „sogenanntes Gedicht” an drei
verschiedene Zeitungen in mehreren Ländern geschickt
habe, halte sie für „größenwahnsinnig”.
KRITIK AUS DEN KIRCHEN
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD), Nikolaus Schneider, hielt Grass überzogene Israel-Kritik
vor. Er habe der Politik Israels den Willen zum „Auslöschen” des
iranischen Volkes unterstellt.
Dagegen werde in dem Grass-Gedicht die Bedrohung der Existenz
des Staates Israel und der vom iranischen Präsidenten
ausgesprochene Vernichtungswille „verharmlost und ignoriert”,
bemängelte der EKD-Ratsvorsitzende.
Der katholische Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke
kritisierte, Grass habe sich ideologisch verirrt.
Mit seiner moralisierenden Position stärke er antijüdische
Stimmungen, sagte der katholische Bischof im Kölner „domradio”.
Efraim Zuroff, Direktor des bekannten Jerusalemer Simon-Wiesenthal-Zentrums,
bezeichnete das Gedicht als „abscheulich“. Es
scheine ein Zeichen dafür zu sein, dass Israel „zum
Prügelknabe für die Frustrationen derjenigen wird,
die es leid sind, über den Holocaust zu hören”.
EMPÖRUNG IN DER POLITIK
Deutsche Politiker reagierten empört. CDU-Generalsekretär
Hermann Gröhe erklärte: „Ich bin über
die Tonlage und die Ausrichtung dieses Gedichtes entsetzt.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion,
Volker Beck, nannte Grass uneinsichtig.
„Subjektiv ist Grass wohl kein Antisemit, objektiv
verbreitet er aber Stereotypen eines vermeintlich politisch-korrekten
Antisemitismus. Sein Gerede vom Schweigen ist bullshit”,
kritisierte Beck.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles: „Ich schätze
Günter Grass sehr, aber das Gedicht empfinde ich vor
dem Hintergrund der politischen Lage im Nahen Osten als irritierend
und unangemessen.“
Die Welt ist entsetzt, doch iranische Medien jubeln!
„Nie zuvor in der Nachkriegs-Geschichte Deutschlands
hat ein prominenter Intellektueller Israel auf so mutige
Art und Weise wie Günter Grass mit seinem kontroversen
Gedicht angegriffen“, ätzt der iranische Fernseh-Sender „Press
TV“. fr-online.de
|