Mehr als 300 Juden aus einem Ghetto im ukrainischen Shitomir
sollen Ende 1942 von einer
SS-Einheit erschossen worden sein. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft
Cottbus gegen
einen 91-Jährigen, der damals beteiligt gewesen sein könnte.
Hamburg - "Es besteht der Verdacht, dass sich der Beschuldigte
der zweifachen Beihilfe zum Mord
an 360 Personen schuldig gemacht hat", sagte die Sprecherin
der Staatsanwaltschaft Cottbus,
Petra Hertwig, der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" ("MAZ").
Es wird demnach geprüft, ob ein
heute 91-Jähriger 1942 an Erschießungen in der Ukraine
beteiligt war.
Laut Staatsanwaltschaft wurde der Mann
bereits vernommen und hat auch ausgesagt. Zu Details
wollte sich die Sprecherin aus ermittlungstaktischen Gründen
nicht äußern.
Bei zwei Erschießungen im Oktober und November 1942 sollen
rund 360 jüdische Männer, Frauen
und Kinder aus dem Ghetto in Shitomir von deutschen Soldaten
getötet und in Massengräbern
verscharrt worden sein. Die Soldaten sollen zum Kommandostab
Reichsführer-SS gehört haben.
Dem Bericht zufolge beruht das Wissen über die Exekutionen
in der Ukraine weitgehend auf den
Aussagen eines Zeugen, der die Verbrechen 1947 in russischer
Kriegsgefangenschaft geschildert
hatte und 1971 ums Leben kam. 1985 stellte die Staatsanwaltschaft
Wiesbaden das Verfahren
gegen den beschuldigten Chef des mutmaßlichen Erschießungstrupps
ein, weil sie Zweifel am
Wahrheitsgehalt der Zeugenaussagen hegte.
Ausgangspunkt für die neuen Ermittlungen ist dem Bericht
zufolge die Zentrale Stelle zur
Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg.
Auf der Suche nach Zeugen in
einem anderen Verfahren seien die Ludwigsburger Justizmitarbeiter
auf den Namen des Mannes
gestoßen.
Der heute 91-Jährige war laut "MAZ" als SS-Sturmmann
Angehöriger des Kommandostabs
Reichsführer-SS - jener Einheit, die die Juden aus dem
Ghetto in Shitomir umgebracht haben soll.
Es gelte zunächst die Unschuldsvermutung, sagte der stellvertretende
Leiter der Ludwigsburger
Zentralstelle, Thomas Will. Selbst wenn nachgewiesen werden
könne, dass der Mann zum
Tatzeitpunkt Teil der Einheit war, beweise das noch nicht,
dass er auch bei den Erschießungen
dabei war. Oft müsse zur Kenntnis genommen werden, dass
einem Beschuldigten nach so vielen
Jahren nichts mehr nachgewiesen werden könne. 20 bis 30
Vorermittlungsverfahren würden pro
Jahr noch an die Staatsanwaltschaften der Länder weitergeleitet.
Aber nur in jedem zehnten Fall
kommt es demnach tatsächlich zu einer Anklage. spiegel.de
|