Jahrzehntelang wurde über den Verbleib des meistgesuchten
NS-Verbrechers gerätselt, jetzt hat das Landgericht Baden-Baden
Aribert Heim für tot erklärt. Der ehemalige KZ-Arzt
starb demnach bereits 1992 als Tarek Hussein Farid in Ägypten
an Krebs.
Baden-Baden - Um kaum einen anderen untergetauchten
NS-Verbrecher rankten sich so viele Geschichten, Gerüchte
und Spekulationen wie um Aribert Heim. Jahrzehntelang war
der ehemalige KZ-Arzt, der wegen seiner besonderen Brutalität
im Dritten Reich "Dr. Tod" und "Schlächter
von Mauthausen" genannt wurde, der meistgesuchte Altnazi.
Lebt Heim noch? Wenn ja, wo? Diese Fragen bewegten Justiz,
Nazi-Jäger und Medien.
Vor drei Jahren gab es erste Hinweise auf
Heims Tod - nun wurde der Fall offiziell zu den Akten gelegt.
Das Landgericht Baden-Baden erklärte Heim für tot
und stellte das Strafverfahren gegen ihn ein. Der Gesuchte
starb nach Auffassung der Richter 1992 in Ägypten an
einem Krebsleiden. Das teilte das Gericht am Freitag mit.
Heim stand auf der Liste der meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher
des Simon-Wiesenthal-Zentrums an erster Stelle. Während
des Zweiten Weltkriegs soll er in dem in Österreich
gelegenen Konzentrationslager Mauthausen mehr als 300 Menschen
auf bestialische Weise umgebracht haben. Laut Anklage soll
er Häftlingen Benzininjektionen unmittelbar ins Herz
gespritzt oder sie ohne Betäubung operiert haben.
Nach dem Krieg arbeitete Heim zunächst unbehelligt
weiter, bis 1962 hatte er in Baden-Baden eine gynäkologische
Praxis. Dann tauchte er unter. Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden
erhob 1979 Anklage gegen ihn.
Aufgrund eines Haftbefehls des Landgerichts Baden-Baden
war Heim international zur Fahndung ausgeschrieben. Deutsche
Zielfahnder verstärkten 2007 die Ermittlungen, nahmen
familiäre und freundschaftliche Kontakte des NS-Verbrechers
in Österreich und Spanien ins Visier. Für Hinweise
setzten öffentliche Stellen und Privatleute eine hohe
sechsstellige Summe als Belohnung aus.
1963 als Ferdinand Heim nach Ägypten gereist
Nach Auffassung der Baden-Badener Schwurgerichtskammer ist
davon auszugehen, dass Heim Anfang 1963 unter seinem zweiten
Vornamen Ferdinand mit einem Touristenvisum nach Ägypten
eingereist war. Unter diesem Namen habe er sich über
Jahre hinweg in Kairo verborgen gehalten. 1980 sei er zum
islamischen Glauben konvertiert und habe fortan unter dem
Namen Tarek Hussein Farid gelebt. Als dieser sei er im Alter
von 78 Jahren am 10. August 1992 in Kairo verstorben.
Dies hatten ZDF und "New York Times" nach gemeinsamen
Recherchen bereits 2009 berichtet. Einige Tage später
wurden dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg über
einen Mittelsmann Unterlagen über den angeblich toten
Nazi-Verbrecher zugespielt. Im August dieses Jahres berichtete
DER SPIEGEL, dass der Fall möglicherweise kurz vor der
Aufklärung stehe.
Nach anfänglichem Zweifel bewerten die LKA-Fahnder die
Unterlagen inzwischen als echt. Außerdem habe Heims
Verteidiger im Frühjahr 2012 neben weiteren Unterlagen
eine Konvertierungsurkunde vorgelegt, heißt es in der
Erklärung des Gerichts. Untersuchungen des Landeskriminalamts
Baden-Württemberg hätten die Echtheit dieser Urkunde
bestätigt.
Die Schwurgerichtskammer vernahm auch den Sohn des Verstorbenen
als Zeugen. Dieser habe glaubhafte Angaben gemacht. Nach
Auffassung der Richter verblieben keine Zweifel, dass Heim
mit der Person Tarek Hussein Farid identisch ist und 1992
infolge eines Krebsleidens starb.
spiegel.de
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