Herr Zuroff, das Wiesenthal Center hat
in diesen Tagen eine Top-Ten-Liste der schlimmsten Antisemiten
und Israel-Verleumder 2012 veröffentlicht. Wie ist die
Idee dazu entstanden?
Unsere Organisation veröffentlicht diese Aufzählung
seit zwei Jahren. Wir möchten damit den Fokus auf die
schlimmsten Antisemiten des zu Ende gegangenen Jahres richten
und vor ihnen warnen. Jene, die sich so schändlich über
Juden und Israel äußern, sollen merken, dass dies
nicht unbemerkt bleibt. Wer ein Judenhasser ist, soll der Öffentlichkeit
auch als solcher bekannt sein.
Welche Kriterien liegen der Liste zugrunde?
In die Entscheidung fließen mehrere Faktoren mit
ein. Ausschlaggebend ist unter anderem die Schärfe
der geäußerten antisemitischen Zitate. Wichtig
ist auch die Funktion und der politische Einfluss desjenigen,
der sich judenfeindlich geäußert hat. Ein Beispiel: »Oh
Allah, vernichte die Juden und ihre Unterstützer«,
hat der ägyptische Imam Futouh Abd Al-Nabi Mansour
kürzlich bei einem Gebet in Gegenwart von Ägyptens
Präsident Mohammed Mursi gefordert. Damit hat Mansour
in diesem Jahr sogar Irans Ayatollah Ali Khamenei auf den
zweiten Platz verwiesen.
Der deutsche Journalist Jakob Augstein belegt den neunten
Platz. Warum ist auch er ein Antisemit?
Weil er ein ernsthaftes Problem mit Juden und Israel hat.
Das wird in seinen Beiträgen auf Spiegel Online überdeutlich.
Nehmen Sie nur sein Zitat, wonach die Charedim in Israel
nicht besser als die islamistischen Fundamentalisten seien
und nur nach dem Gesetz der Rache handeln würden.
Ich habe großes Verständnis dafür, dass
Henryk M. Broder Augstein wegen dessen Agitationen mit
Julius Streicher vergleicht.
Augstein selbst hingegen sieht sich diffamiert, bloß weil
er als Journalist Kritik an Israel übt.
Wie jeder Antisemit leugnet auch er, Antisemit zu sein.
Niemand hat jemals behauptet, dass man Israel nicht kritisieren
dürfe. Es ist die Art und Weise der Kritik, die einen
Antisemiten ausmacht. Und Augstein misst beim Thema Israel
mit zweierlei Maß, macht aus Tätern Opfer, klammert
den Terror der Hamas vollkommen aus. Seine Äußerungen
sind ganz und gar empörend, diffamierend und ekelhaft.
Warum hat es Günter Grass in diesem Jahr eigentlich
nicht in die Top Ten geschafft?
Sie glauben ja gar nicht, wie schwierig es ist, ein Who’s
who der Antisemiten zu erstellen, und dabei niemanden zu
vergessen.
Inwiefern?
Die antisemitischen Äußerungen nehmen unserer
Wahrnehmung nach stark zu. Der Wettbewerb in dieser ganz
speziellen Disziplin ist groß. Da kann es schon einmal
passieren, dass auch ein ausgemachter Antisemit wie Günter
Grass keine Erwähnung findet. Wenn es so viele Unterstützer
Israels wie Antisemiten gäbe, wäre schon viel
gewonnen.
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