Sonntag, 14. Oktober 2007

wienerzeitung.at
  Zweifel an Tod von SS-Arzt Heim  
 

Geheimorganisation soll Kriegsverbrecher 1982 getötet haben.
Französische Nazi-Jäger Serge Klarsfeld und das Simon Wiesenthal Center Jerusalem zweifeln an den Aussagen eines israelischen Oberst.

Einer der meistgesuchten mutmaßlichen NS-Verbrecher, der aus Österreich stammende frühere SS-Arzt im KZ Mauthausen, Aribert Heim, sei 1982 aufgespürt und von einer Geheimorganisation getötet worden. Dies schreibt der israelische Oberst Danny Baz in einem autobiografischen Werk, das am Dienstag in Frankreich erscheinen soll. Greifbare Beweise dafür legt er in seinen Schilderungen allerdings nicht vor und auch der französische Nazi-Jäger Serge Klarsfeld zweifelt an deren Wahrhaftigkeit.
Baz schildert in seinem Buch mit dem Titel "Ni oubli, ni pardon. Au coeur de la traque du dernier nazi" (Weder Vergessen noch Verzeihen. Im Zentrum der Treibjagd nach dem letzten Nazi), er habe in den 80er Jahren der geheimen amerikanischen Organisation "Die Eule" angehört. Diese habe es sich zur Aufgaben gemacht, die letzten Nazis, die sich nach Amerika geflüchtet hatten, zu fassen.

In Kanada sei Heim vor 25 Jahren von Leuten der "Eule" geschnappt worden, so der Oberst der Luftwaffe und Spezialist für Kommandooperationen weiter. Danach sei er "abgeurteilt" und auf der Insel Santa Catalina vor der kalifornischen Küste exekutiert worden. "Aribert Heim ist tot. Ich war an der Operation beteiligt, die zu seiner Hinrichtung 1982 geführt hat", schreibt der Offizier im Vorwort zu seinem Buch, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt.

Laut Danny Baz operierte "Die Eule" unter größter Geheimhaltung und in der Illegalität. Die Organisation habe allerdings die Unterstützung hochrangiger Leute beim US-Auslandsgeheimdienst CIA, bei der Bundespolizei FBI und bei den israelischen Geheimdiensten erhalten. Sie sei von einem Mauthausen-Überlebenden gegründet worden.

"Dieses Buch ist der Bericht von streng wahrheitsgemäßen Fakten. Allerdings wurden bestimmte Episoden absichtlich aus Gründen der Vertraulichkeit verschwiegen", schreibt Baz in seinem Vorwort. Das Buch ist im Stil eines Romans verfasst.

Für Serge Klarsfeld, den Gründer der Vereinigung der Söhne und Töchter jüdischer Deportierter Frankreichs, ist das Werk Baz' "eine große Fantasie". Er habe nie von "Die Eule" gehört. "Wenn diese Organisation existieren würde, dürften sie annehmen, dass ich davon gehört hätte", sagte er. Aribert Heim sei sicherlich genauso wie der Eichmann-Gehilfe Alois Brunner, ein Eichmann-Gehilfe eines natürlichen Todes gestorben, so der Nazi-Jäger.

Auch das Simon Wiesenthal Center Jerusalem bezweifelt, dass Heim tot ist. "Das ist total unwahrscheinlich", kommentierte der Direktor des Zentrums, Efraim Zuroff, dahingehende Berichte. Zuroff verweist auf einen Brief aus dem Jahr 1986, der Heim zugeschrieben wird. "Danny Baz hat derartige Behauptungen schon vor fünf Jahren in der israelischen Presse getätigt, wonach seine Gruppe 25 Nazis auf dem amerikanischen Kontinent exekutiert habe, ohne weder den Namen eines dieser Verbrecher zu liefern noch das Geringste zur Bestätigung seiner Aussagen", fügte Zuroff hinzu. Seinem Kenntnisstand nach und jenem der deutschen Polizei, die Heim suche, sei dieser noch am Leben. Er verstecke sich in Spanien oder in Südamerika.

Der 1914 in Bad Radkersburg in der Steiermark geborene Aribert Heim wäre heute 93 Jahre alt. Er wurde wegen seiner grausamen Menschenversuche als "Doktor Tod" bekannt. Ihm wird vorgeworfen, während des Zweiten Weltkriegs in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mauthausen zahlreiche Insassen gefoltert und durch Herzinjektionen getötet zu haben.

Nach dem Krieg praktizierte er in Baden-Baden (Baden-Württemberg) als Frauenarzt. 1962 tauchte er unter. Für seine Ergreifung haben Behörden und Private Belohnungen von insgesamt etwa 230.000 Euro ausgesetzt, darunter die Polizei in Baden-Württemberg 130.000 Euro und das österreichische Justizministerium 50.000 Euro. Auf der Liste der "Meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher" des Simon Wiesenthal Zentrums steht Heim an zweiter Stelle hinter dem früheren SS-Hauptsturmführer Alois Brunner, dem als Gehilfen Adolf Eichmanns vorgeworfen wird, u.a. in Griechenland und Ungarn an der Deportation von Juden mitgewirkt zu haben.

Zuletzt wurde dann vermutet, Heim habe sich nach Chile abgesetzt. Eine uneheliche Tochter von Heim soll in den 70er Jahren in Chile studiert haben und dort bis heute leben, hieß es. Heims Familie hatte angegeben, der Gesuchte sei 1993 in Argentinien gestorben, jedoch keine Sterbeurkunde vorgelegt und auch das Erbe nicht angetreten.

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