24.05.2013, 17.39 Uhr swr.de
"Er nimmt seine Pistole und erschießt das Baby"

Bei dem SS-Wachmann könnte es sich um Hans Lipschis handeln. Darüber berichtet die Zeitung in ihrer Freitagsausgabe. Das Interview gab der gebürtige Slowake Miso Vogel im Jahr 1989 dem United States Holocaust Memorial Museum. Auf dessen Internetseite ist ein Teil davon online abrufbar. Vogel starb im November 2000.

In dem Video-Interview sagt Vogel: "Sein voller Name ist Hans Lipsky. Er war ein SS-Aufseher in Auschwitz. Er arbeitete an den Eisenbahngleisen, wo die Transporte ankamen." Vogel sagt überzeugt: "Er war ein Mörder. Er war ein Killer." Der "Welt" liegt die volle Abschrift des Interviews vor. Sie lasse keinen Zweifel daran, dass Vogel mit Lipsky den SS-Wachmann Hans Lipschis meint, so "Die Welt". Bei Lipsky könnte es sich um die amerikanische Aussprache des Namens Lipschis handeln.

Vogel sah demnach mit eigenen Augen, wie "Hans Lipsky" ein Kind erschoss. "Ich erinnere mich an einen der Jungs, der ein kleines Kind hielt, ein kleines Baby, und er nimmt seine Pistole raus und erschießt das Baby in den Händen des Gefangenen."

Lipschis Anwalt hält Video für wenig beweiskräftig

Der Anwalt des Beschuldigten hält die neuen Vorwürfe gegen seinen Mandanten für wenig stichhaltig. Er sagte dem SWR, dass das Interview mit dem inzwischen verstorbenen Zeitzeugen kaum Beweiskraft habe, da er nicht mehr befragt werden könne.

Aussagen Vogels nicht Teil der Anklage

Die Aussagen des Zeugen Vogel über etwaige Verbrechen von Lipschis in Auschwitz fließen jedoch nicht in die jetzige Anklage der Staatsanwaltschaft ein. Sie finden sich nach Informationen der "Welt" nicht in den Dokumenten der NS-Fahndungsstelle in Ludwigsburg, die gegen Lipschis ermittelt.

USA bereiteten Prozess vor

Der gebürtige Litauer Lipschis war 1983 aus den USA in die Bundesrepublik ausgereist. Die USA waren damals dabei, gegen ihn einen Prozess vorzubereiten. Nach Informationen der "Welt" wurde in diesem Zusammenhang auch Miso Vogel befragt. Auf einem Foto, das ihm Ermittler der "Office for Special Investigation" (OSI) - eine Sondereinheit des Justizministeriums - zeigten, soll er 1982 Lipschis identifiziert haben. Erst dabei soll er auch dessen Namen erfahren haben.

Bis vor kurzem lebte der ehemalige KZ-Aufseher Lipschis in Aalen. Seit zwei Wochen sitzt der heute 93-Jährige in Untersuchungshaft. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Stuttgart lautet auf Beihilfe zum Mord in 9.515 Fällen. Der Prozess könnte im Oktober beginnen.

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