23.07.2013 12:14 Uhr tagesschau.de
Wo sind die letzten NS-Kriegsverbrecher?

"Spät. Aber nicht zu spät! Operation Last Chance II" - unter diesem Motto steht die Aktion, mit der das Simon-Wiesenthal-Zentrum letzte noch lebende NS-Kriegsverbrecher in Deutschland aufspüren will. 2000 Plakate werden dafür jetzt in Berlin, Hamburg und Köln aufgehängt.

Ziel der Initiative sei es, bisher nicht verurteilte NS-Kriegsverbrecher mit Hilfe der Bevölkerung aufzuspüren und vor Gericht zu bringen, sagte der Initiator der Kampagne und Leiter des Jerusalemer Büros, Efraim Zuroff. Gesucht werde nach Hinweisen, die zur Strafverfolgung von NS-Tätern führen könnten. Für Hinweise, die zur Ergreifung noch lebender Täter führen, ist eine Belohnung von bis zu 25.000 Euro ausgelobt.

Neue Rechtslage durch Demjanjuk-Prozess

Auslöser der "Operation Last Chance II" sei die Verurteilung von Iwan Demjanjuk - Wachmann im NS-Lager Sobibor - im Jahr 2011 wegen Beihilfe zum Mord in München gewesen, so Zuroff. Damit sei ein historischer Präzedenzfall geschaffen worden, der die Rechtslage erheblich verändert habe.

Jetzt genüge der Nachweis, dass Menschen in Vernichtungslagern und Mordkommandos gedient hätten. Zuvor habe ein Verbrechen an einem bestimmten Menschen nachgewiesen werden müssen. Damit bestehe nun die Chance, "NS-Täter vor Gericht zu stellen, die bisher straffrei geblieben sind", hofft Zuroff. Jede Anklage sei eine wichtige Erinnerung daran, dass Gerechtigkeit für die Opfer des Holocaust immer noch erreicht werden könne. Das hohe Alter der Täter könne kein Grund sein, die Strafverfolgung einzustellen. "Das macht ihre Schuld nicht geringer", sagte Zuroff weiter.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland befürwortet die Initiative des Simon-Wiesenthal-Zentrums. "Es geht hier schließlich um Gerechtigkeit. Und Gerechtigkeit kennt keine Verfallszeit", sagte der Präsident des Zentralrates, Dieter Graumann. Auch bleibe nicht mehr viel Zeit, um die NS-Täter noch zur Rechenschaft zu ziehen.

Historiker hält nichts von der Kampagne

Im Prinzip teilt der Historiker Michael Wolffsohn diese Auffassung. Allerdings lehnt er das ausgeschriebene Kopfgeld vehement ab. "Das ist absurd, das ist ein Aufwiegen in Zahlen, und ich finde es geradezu pietätlos und schamlos, 25.000 Euro für Schwerstverbrecher. Sind die nicht 'mehr wert', wenn sie verfolgt werden?", fragte er im Interview mit dem Deutschlandradio.

Wolffsohn fordert eine solide Aufarbeitung der NS-Diktatur. Er verwies darauf, dass auch dem Namensgeber des Zentrums, Simon Wiesenthal, daran gelegen war. Dieser habe Gerechtigkeit und nicht Rache gewollt.

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