vom 19. September 2013 shz.de
Frau aus Neumünster war SS-Helferin in Birkenau

Über die Schleswig-Holsteinerin, die der Wachmannschaft des Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau angehört haben soll, sind neue Fakten bekannt. Die 89-Jährige aus Neumünster war als Aufseherin tätig, und zwar in der „unteren Skala“ der Hierarchie. Dies erklärte der Leiter der NS-Fahndungsstelle in Ludwigsburg, Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm, gegenüber unserer Zeitung. „Sie war als SS-Helferin im Frauenlager Birkenau.“ Über ihre Tätigkeiten sage dies aber nichts aus. Es sei durchaus möglich, dass sie Häftlinge in die Gaskammer geführt oder das Gas eingefüllt habe. „Wahrscheinlich werden wir dies aber nie erfahren.“

Inzwischen haben die Ermittler auch herausgefunden, welcher Einheit die SS-Helferin angehörte. In spätestens vier Wochen soll die Ermittlung abgeschlossen sein und die Akte an die zuständige Staatsanwaltschaft gehen. Der Vorwurf lautet „Beihilfe zu Mord“, wie Schrimm betont.

Bundesweit wird seine Behörde 30 Vorermittlungsverfahren abschließen können. Die Namen der Verdächtigen standen auf Listen, die bereits in den 70er Jahren bekannt waren. „Wir haben ein halbes Jahr lang ermittelt“, so der Oberstaatsanwalt. Dass in den 70er Jahren nicht gegen diese ehemaligen KZ-Aufseher ermittelt wurde, hat mit einem Urteil aus dem Jahr 1969 zu tun. Der Bundesgerichtshof legte im Fall Auschwitz fest, dass für eine Verurteilung der KZ-Wächter die individuelle Schuld nachgewiesen werden müsse. Dies war oft nicht möglich. Die Wende kam 2011 mit dem Urteil gegen John Demjanjuk, der wegen Beihilfe zum Mord in 20 000 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Der inzwischen verstorbene Ukrainer war Wachmann im Vernichtungslager Sobibor im südöstlichen Polen. Das Landgericht München stellte in der Urteilsbegründung fest: „Der Angeklagte war Teil der Vernichtungsmaschinerie.“ Seitdem sieht die NS-Zentralstelle Chancen, dass weiteren KZ-Aufsehern der Prozess gemacht wird. Gegen zwei Tatverdächtige laufen bereits Verfahren.

Auch wenn die Zeit fast 70 Jahre nach Kriegsende gegen die Nazi-Jäger läuft, Schrimm und seine Kollegen recherchieren kontinuierlich weiter. So sind jedes Jahr Ermittlungsteams für mehrere Wochen im Jahr in Südamerika aktiv, wo viele NS-Verbrecher mit einer falschen Identität untertauchten. „Wir forschen in den Einwanderungs-Akten und haben in der Vergangenheit auch schon Namen gefunden“, erklärt der Staatsanwalt. Weitere Ermittlungen ergaben aber, dass die Gesuchten inzwischen verstorben sind. Dennoch gibt Schrimm nicht auf, verfolgt weitere Hinweise – „Eine ganz heiße Spur haben wir derzeit aber nicht.“

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