19.10.2007, 21:23

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  Die Schreckensnacht von Rechnitz  
 

Schloss Batthyány: Die Gräfin, Spross des Thyssen-Clans, gibt ein Fest für Nazis. Grausiger "Höhepunkt": 200 Juden müssen sterben.

Der Massenmord am 24. März 1945 soll endlich aufgeklärt werden, fordert das Simon Wiesenthal-Center. Doch was passierte in jener Nacht? Die wissenschaftlichen Recherchen der Historikerin Eva Holpfer und des Historikers David Litchfield gehen dieser Frage nach.

Spaß am Massenmord
Am 24. März 1945 werden 600 Juden aus Ungarn per Bahn ins burgenländische Burg verfrachtet, um als Zwangsarbeiter beim "Südostwallbau" eingesetzt zu werden. 200 Menschen werden wegen körperlicher Schwäche selektiert und zum Bahnhof Rechnitz umgeleitet. Zu dieser Zeit sind die Russen nach Recherchen Litchfields nur mehr 15 Kilometer entfernt. Am Abend wird im Schloß Batthyany ein Fest abgehalten – die Gäste der Schlossherrin Gräfin Margit Batthyany, geborene Thyssen, sind wie so oft die "zuverlässigsten Getreuen des nationalsozialistischen Systems", darunter die Leitung des Südostwallbaus und Franz Podezin, Ortsgruppenleiter von Rechnitz. Graf und Gräfin Batthyany sind ebenfalls anwesend. Schließlich kommt man auf die Idee, die Gäste zu unterhalten.

David Litchfield beschreibt die Szenerie in der FAZ folgendermaßen: "Franz Podezin, NSDAP-Ortsgruppenleiter von Rechnitz und Gestapo-Beamter, versammelte fünfzehn ältere Gäste in einem Nebenraum des Schlosses, gab Waffen und Munition an sie aus und lud die Herren ein, 'ein paar Juden zu erschießen'." Im nahe gelegenen Kreutzstadl hatte man die 200 Juden zusammengetrieben. "Man zwang die Juden, sich nackt auszuziehen, bevor sie von betrunkenen Gästen des Fests ermordet wurden, die dann ins Schloss zurückkehrten, um bis zum frühen Morgen weiter zu trinken und zu tanzen. Nach Aussagen von Zeugen prahlten einige Gäste des Festes am nächsten Morgen mit den in der Nacht begangenen Greueltaten."
Zwei Nationalsozialisten verscharren die Toten notdürftig, am nächsten Tag werden die 18 Überlebenden die Gräber schließen. Am Abend werden auch sie ermordet.

Untersuchungen ohne Ergebnis
Wenige Tage nach dem Massaker rückten sowjetische Truppen in Rechnitz ein. Die Voruntersuchung zum Massaker wurde am 12.10. 1945 gegen Eduard Nicka, dem ehemaligen Kreisleiter in Oberwart, Franz Podezin und weiteren sieben Personen wegen Ermordung, Misshandlung und Verletzung der Menschenwürde eingeleitet. Laut Holpfer wurden schließlich fünf Personen angeklagt: darunter Ludwig Groll, ehemaliger Bürgermeister der Stadt Oberwart, Josef Muralter, Leiter des Unterabschnitts "Rechnitz II" und Hildegard Stadler, Kanzleikraft im Einsatzstab. Nach und nach werden die Anklagen wieder zurückgezogen. Lediglich Ludwig Groll und Josef Muralter werden zu acht und fünf Jahren Kerker verurteilt. Für beide setzen sich in der Folge SPÖ und ÖVP ein, ihre Urteile werden später zur Bewährung ausgesetzt.

In einem weiteren Verfahren 1948 wurde Eduard Nicka gemeinsam mit acht Personen angeklagt. Der Pfarrer von Rechnitz und die Bevölkerung setzten sich ebenfalls für einen Freispruch ein. Zeugen sind inzwischen rar: 1946 wurden die zwei Hauptzeugen ermordet, seitdem herrscht in der Bevölkerung Angst. Schlussendlich werden alle Klagen fallen gelassen. Nie wurde Anklage gegen die Gräfin Battyany erhoben: Sie flieht in die Schweiz und gewährt dem flüchtigen Podezin Unterschlupf. 1989 verstirbt die Schwester des Kunstmäzens Baron Heinrich Thyssen-Bornemisza. Seine Tochter ist Francesca von Habsburg.

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