Für Peter
Müller ist Aufgeben keine Option. Der Kriminalhauptkommissar
jagt flüchtige Verbrecher, wenn es sein muss, jahrzehntelang
durch die ganze Welt.
"Ausbrecher Axane durch Zielfahnder festgenommen“,
verkündete das Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart
am 12. November 2004. Am Vorabend hatten Beamte auf einer
Straße in Hessen den rumänischen Schwerverbrecher
Gheorghe Axane festgenommen. Unter ihnen war Peter Müller,
der seinen wahren Namen aus Sicherheitsgründen nicht
nennen will. Er leitet die Zielfahndung in Baden-Württemberg
und hatte sich – oft rund um die Uhr und auch im Ausland – an
Axanes Fersen geheftet, der im August 2004 aus dem Mannheimer
Gefängnis ausgebrochen war.
„Zielfahndung ist die gezielte intensive Suche nach
identifizierten Tätern, die wegen schwerwiegender Straftaten
und der Wahrscheinlichkeit weiterer Taten eine Bedrohung
für die Allgemeinheit darstellen“, beschreibt
der Kriminalhauptkommissar seinen Beruf. Oft wird sein Job
mit dem eines Profilers verwechselt. Dieser erstellt Profile
von unbekannten Tätern, wie dem „Phantom“ von
Heilbronn. Ein Zielfahnder hingegen kommt zum Einsatz, wenn
der Mörder bekannt, aber flüchtig ist, erläutert
der 53-Jährige.
Ein NS-Verbrecher raubt ihm den Schlaf
Erfolge wie im Fall Axane kann Müller häufig verbuchen.
Von den 83 Aufträgen der Polizeidienststellen an die
Stuttgarter Zielfahnder seit 1996 sind nur sechs offen. „Statistisch
schlägt das nicht zu Buche, das heißt aber nicht,
dass unsere Fälle nicht extrem wichtig für das
Sicherheitsgefühl der Bevölkerung sind“,
meint Müller. Doch es gibt auch Fälle, die ihn
seit Jahren beschäftigen und ihm manchmal nachts den
Schlaf rauben. Beim Namen Aribert Heim wird der ruhige Mann
gesprächig. Heim ist einer der letzten flüchtigen
mutmaßlichen Nazi-Verbrecher, der 1962 einen Tag vor
seiner Festnahme entkommen konnte. Seit mehr als 40 Jahren
ist der Österreicher, der sich zuletzt in Baden-Baden
aufhielt, untergetaucht.
Heim steht auf der LKA-Fahndungsliste seit vier Jahren ganz
oben: „Er war vermutlich mehr als ein Erfüllungsgehilfe
des NS-Regimes, ein Arzt vom Kaliber eines Josef Mengele,
der im KZ Mauthausen Hunderte von Menschen bestialisch getötet
hat“, sagt Müller. Er hat Anhaltspunkte, dass
der jetzt 93 Jahre alte Mann noch lebt. „Ich muss etwas
tun, ein Stück weit Gerechtigkeit schaffen. Die Angehörigen
der Opfer sollen wissen, dass uns das Leid ihrer Verwandten
nicht egal ist“, erklärt der Zielfahnder. Er nimmt
die Akte Heim täglich zur Hand, liest die schwer zu
ertragenden Zeugenaussagen, sucht nach neuen, vielleicht übersehenen
Details in den mehr als 40 Aktenordnern, versucht, sich in
die Zielperson hineinzudenken. Fast täglich hat er E-Mail-Kontakt
mit dem Nazi-Jäger Efraim Zuroff, dem Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums
in Jerusalem. „Ein Fall, für den sich jeder Einsatz
und Aufwand lohnen“, betont Müller.
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