Von den Tätern des SS-Massakers
in Oradour wurde kaum einer zur Rechenschaft gezogen. Die
Staatsanwaltschaft Dortmund unternimmt einen neuen Anlauf
und prüft, ob die Beweise für eine Anklage reichen.
Die Ermittlungen gegen Beteiligte des SS-Massakers von
Oradour-sur-Glane stehen vor dem Abschluss. "Ich hoffe
im Dezember darüber entscheiden zu können, ob
wir Anklage erheben", sagte Oberstaatsanwalt Andreas
Brendel am Montag.
Vor zwei Jahren hatte die Dortmunder Staatsanwaltschaft
das Verfahren gegen sechs ehemalige Angehörige der
Waffen-SS-Einheit "Der Führer" aufgenommen.
Sie stehen im Verdacht am 10. Juni 1944 an der Ermordung
von 642 Menschen, darunter 207 Kinder, beteiligt gewesen
zu sein. Die Gräueltat, bei der nahezu das gesamte
Dorf ausgelöscht wurde, gilt als das schwerste Kriegsverbrechen
der Deutschen in Frankreich.
Als NRW-Zentralstelle für die Bearbeitung nationalsozialistischer
Massenverbrechen ermittelt die Staatsanwaltschaft Dortmund
gegen fünf Deutsche und einen Österreicher. Die
ehemaligen SS-Leute stammen aus Ostwestfalen, dem Rheinland,
Hessen, Brandenburg sowie Niedersachsen. "Wir können
inzwischen bei einigen sagen, welche Rolle sie spielten",
sagte Brendel.
Beihilfe zum Mord oder Täterschaft?
"Jetzt müssen wir schauen, ob das, was wir an
Beweisen haben, für eine Anklage wegen Beihilfe zum
Mord oder sogar Täterschaft ausreicht oder ob Verfahren
eingestellt werden müssen", so Brendel. Bevor
sämtliche Ermittlungsunterlagen nicht ausgewertet
seien, wolle er keine genaueren Angaben machen.
Das Nachrichtenmagazin "Focus" berichtet, einer
der Verdächtigen habe inzwischen eingeräumt bei
dem Massaker dabei gewesen zu sein. Demnach soll der ehemalige
Maschinengewehrschütze sich nahe der Dorfkirche postiert
haben. Er habe behauptet gegen die Erschießungen
aufbegehrt zu haben und sei vom Ort entfernt worden.
Wie seine Kameraden die Kirche und die Scheunen niederbrannten,
in die Frauen und Kinder gepfercht worden waren, will er
nicht gesehen haben. Bestätigen wollte Brendel diese
Informationen nicht.
In den letzten Jahren hätten Beamte des Landeskriminalamtes
Hunderte Zeugen befragt, die Verdächtigen vernommen
und Archive nach Beweisen durchforstet. Die Ergebnisse
füllten inzwischen 150 Aktenordner. "Wir haben
einiges erreicht", so Brendel.
Einige Verdächtige sind verhandlungsunfähig
Der Oberstaatsanwalt weist jedoch auch daraufhin, dass
noch nicht klar sei, ob und in welchen Fällen tatsächlich
Anklage erhoben werde. "Es gibt einige unter den Beschuldigten,
von denen wir schon jetzt wissen, dass sie nicht verhandlungsfähig
sind". In so einem Fall können sie nicht angeklagt
werden.
Ein Verfahren gegen Mitglieder des SS-Panzerregiments
war aus Mangel an Beweisen bereits zweimal eingestellt
worden. Heinz Barth, der Zugführer der SS-Truppe,
musste sich als einziger Täter vor einem deutschen
Gericht verantworten. Er lebte lange unerkannt in der DDR
und wurde dort 1983 zu lebenslanger Haft verurteilt. 1997
wurde Barth entlassen, 2007 starb er.
Die jetzigen Ermittlungen sind durch einen Hinweis aus
der Stasi-Unterlagenbehörde neu ins Rollen gekommen.
Dort waren in DDR-Akten Spuren auf zwei damals 18 und 19
Jahren alten Männer entdeckt worden, berichtete Brendel.
welt.de
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