21.10.13 welt.de
Anklage wegen SS-Massaker in Oradour wird geprüft

Von den Tätern des SS-Massakers in Oradour wurde kaum einer zur Rechenschaft gezogen. Die Staatsanwaltschaft Dortmund unternimmt einen neuen Anlauf und prüft, ob die Beweise für eine Anklage reichen.

Die Ermittlungen gegen Beteiligte des SS-Massakers von Oradour-sur-Glane stehen vor dem Abschluss. "Ich hoffe im Dezember darüber entscheiden zu können, ob wir Anklage erheben", sagte Oberstaatsanwalt Andreas Brendel am Montag.

Vor zwei Jahren hatte die Dortmunder Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen sechs ehemalige Angehörige der Waffen-SS-Einheit "Der Führer" aufgenommen. Sie stehen im Verdacht am 10. Juni 1944 an der Ermordung von 642 Menschen, darunter 207 Kinder, beteiligt gewesen zu sein. Die Gräueltat, bei der nahezu das gesamte Dorf ausgelöscht wurde, gilt als das schwerste Kriegsverbrechen der Deutschen in Frankreich.

Als NRW-Zentralstelle für die Bearbeitung nationalsozialistischer Massenverbrechen ermittelt die Staatsanwaltschaft Dortmund gegen fünf Deutsche und einen Österreicher. Die ehemaligen SS-Leute stammen aus Ostwestfalen, dem Rheinland, Hessen, Brandenburg sowie Niedersachsen. "Wir können inzwischen bei einigen sagen, welche Rolle sie spielten", sagte Brendel.

Beihilfe zum Mord oder Täterschaft?

"Jetzt müssen wir schauen, ob das, was wir an Beweisen haben, für eine Anklage wegen Beihilfe zum Mord oder sogar Täterschaft ausreicht oder ob Verfahren eingestellt werden müssen", so Brendel. Bevor sämtliche Ermittlungsunterlagen nicht ausgewertet seien, wolle er keine genaueren Angaben machen.

Das Nachrichtenmagazin "Focus" berichtet, einer der Verdächtigen habe inzwischen eingeräumt bei dem Massaker dabei gewesen zu sein. Demnach soll der ehemalige Maschinengewehrschütze sich nahe der Dorfkirche postiert haben. Er habe behauptet gegen die Erschießungen aufbegehrt zu haben und sei vom Ort entfernt worden.

Wie seine Kameraden die Kirche und die Scheunen niederbrannten, in die Frauen und Kinder gepfercht worden waren, will er nicht gesehen haben. Bestätigen wollte Brendel diese Informationen nicht.

In den letzten Jahren hätten Beamte des Landeskriminalamtes Hunderte Zeugen befragt, die Verdächtigen vernommen und Archive nach Beweisen durchforstet. Die Ergebnisse füllten inzwischen 150 Aktenordner. "Wir haben einiges erreicht", so Brendel.

Einige Verdächtige sind verhandlungsunfähig

Der Oberstaatsanwalt weist jedoch auch daraufhin, dass noch nicht klar sei, ob und in welchen Fällen tatsächlich Anklage erhoben werde. "Es gibt einige unter den Beschuldigten, von denen wir schon jetzt wissen, dass sie nicht verhandlungsfähig sind". In so einem Fall können sie nicht angeklagt werden.

Ein Verfahren gegen Mitglieder des SS-Panzerregiments war aus Mangel an Beweisen bereits zweimal eingestellt worden. Heinz Barth, der Zugführer der SS-Truppe, musste sich als einziger Täter vor einem deutschen Gericht verantworten. Er lebte lange unerkannt in der DDR und wurde dort 1983 zu lebenslanger Haft verurteilt. 1997 wurde Barth entlassen, 2007 starb er.

Die jetzigen Ermittlungen sind durch einen Hinweis aus der Stasi-Unterlagenbehörde neu ins Rollen gekommen. Dort waren in DDR-Akten Spuren auf zwei damals 18 und 19 Jahren alten Männer entdeckt worden, berichtete Brendel.

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