Der als "Dr.
Tod" bekanntgewordene SS-Arzt Aribert Heim ist erstmals
der weltweit meistgesuchte Nazi- Kriegsverbrecher. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum
in Jerusalem veröffentlichte mit seinem Jahresbericht
eine neue Liste der Meistgesuchten. Danach hat der gebürtige Österreicher
Heim den Nazi-Kriegsverbrecher Alois Brunner als Nummer 1
auf der Liste abgelöst. Zur Begründung hieß es,
Brunner sei zwar der wichtigste bislang nicht bestrafte Nazi-Kriegsverbrecher,
es sei aber angesichts seines hohen Alters unwahrscheinlich,
dass er noch am Leben ist.
Deutschland erhält bei der Notenverteilung, mit dem
das Zentrum die weltweite Verfolgung von Nazi-Kriegsverbrechern
bewertet, in diesem Jahr ein B, die zweitbeste Note. Der
Leiter des Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, sagte, zunächst
habe man Deutschland die schlechteste Note geben wollen,
ein F. Eine Anklageerhebung gegen den ehemaligen Gebirgsjäger
Josef Scheungraber in München im Januar habe aber "alles
geändert". Er ist angeklagt, 1944 bei einem Massaker
an italienischen Zivilisten teilgenommen zu haben. Die beste
Note erhielten die USA, wo das Office of Special Investigations
(OSI) weiter erfolgreich gegen Nazi-Kriegsverbrecher vorgehe.
Tödliche Injektionen
Heim wird beschuldigt, im ehemaligen Konzentrationslager
Mauthausen hunderte Häftlinge mit tödlichen Injektionen
unter anderem direkt ins Herz umgebracht zu haben. Heim,
der, wenn er noch lebt, heute 93 Jahre alt wäre, hatte
nach dem Krieg unter anderem als Frauenarzt in Baden-Baden
praktiziert. 1962 tauchte er vor Vollstreckung eines Haftbefehls
unter. Zuroff vermutet, dass der Gesuchte mit Hilfe seiner
unehelichen Tochter Waltraud in Südamerika lebt.
An fünfter Stelle der zehn Meistgesuchten steht Soeren
Kam, der zurzeit in Deutschland lebt. Das ehemalige SS-Mitglied
wird beschuldigt, für den Tod eines dänischen
Journalisten verantwortlich zu sein. Er soll außerdem
das Einwohnerverzeichnis der jüdischen Gemeinde in
Dänemark gestohlen und damit die Deportation von dänischen
Juden in deutsche Konzentrationslager ermöglich haben.
Kam wurde nach Angaben des Wiesenthal-Zentrums in Dänemark
angeklagt. Ein Gericht in Bayern hat im vergangenen Jahr
eine Auslieferung abgelehnt. Die dänischen Behörden
wollen jetzt den Fall neu aufrollen und auf Bitte des Wiesenthal-Zentrums
Kams Rolle bei der Deportation dänischer Juden untersuchen.
2001 lebend gesehen
Bislang war Brunner der meistgesuchte Nazi-Kriegsverbrecher.
Die Wahrscheinlichkeit, den 96-Jährigen zu ergreifen,
seien relativ gering, schreibt das Wiesenthal-Zentrum.
Er sei zuletzt im Jahr 2001 lebend gesehen worden.
Als weitere wichtige Entwicklung wird die Auslieferung
des deutschen Kriegsverbrechers Michael Seifert von Kanada
an Italien gelobt, wo er in Abwesenheit verurteilt worden
war. Zudem verzeichnete das Zentrum einen "erheblichen
Anstieg" neuer Nachforschungen von 63 im vergangenen
Jahr auf mehr als 200. Sehr enttäuscht sei man hingegen
darüber, dass in Ungarn nicht gegen Sandor Kepiro
vorgegangen werde, dem eine Teilnahme am Massenmord an
hunderten Zivilisten im serbischen Novi Sad am 23. Januar
1942 vorgeworfen wird.
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