08.01.2014 | 13:23 Uhr derwesten.de
Hagener Gericht stellt Mord-Prozess gegen
ehemaligen SS-Mann ein
Helmut Ullrich

Im Kriegsverbrecherprozess in Hagen hat das Landgericht das Verfahren gegen den 92-jährigen Siert B. eingestellt. Dem Breckerfelder war vorgeworfen worden, als Mitglied der Waffen-SS 1944 in den Niederlanden an der Erschießung eines Widerstandskämpfers beteiligt gewesen zu sein.

Das Verfahren ist eingestellt – das hat die Vorsitzende Richterin Heike Hartmann-Garschagen durch ein Prozess-Urteil befunden. Damit verlässt Siert B. als freier Mann den Gerichtssaal. Ihm war vorgeworfen worden, als Mitglied der Waffen-SS in der Nacht zum 22. September 1944 an der Erschießung des niederländischen Widerstandskämpfers Aldert Klaas Dijkema (36) in Appingedam beteiligt gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslang gefordert, Verteidiger Klaus-Peter Kniffka hatte einen Freispruch für seinen Mandanten beantragt.

Eine erneute Verurteilung verstoße gegen das „Verbot der Doppelbestrafung“, gegen die Europäische Grundrechts-Charta. Die Kammer solle die Akten dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen

Staasanwaltschaft forderte lebenslang

In eine ganz andere Richtung hatte Oberstaatsanwalt Andreas Brendel (Dortmund) argumentiert: „Mord verjährt nicht“, hatte er betont und im Kriegsverbrecher-Prozess die Höchststrafe gefordert: Siert B. sei überführt, Dijkema ermordet zu haben. Als Mitarbeiter der örtlichen Grenz- und Sicherheitspolizei hätten B. und sein Vorgesetzter den Befehl erhalten, einen Fluchtversuch von Dijkema vorzutäuschen und ihn hinzurichten. Sie hätten den Widerstandskämpfer deshalb nachts in ein Auto verfrachtet, seien zu einem verlassenen Fabrikgelände gefahren und hätten angehalten. Mit den Worten „Geh mal pissen“ hätte Aldert Klaas Dijkema aus dem Wagen steigen müssen. Sekunden später sei er von hinten erschossen worden.

Ankläger Brendel, zugleich Leiter der Dortmunder „Zentralstelle für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen“, hatte Stück für Stück die Mordmerkmale des Falles herausgearbeitet: Bereits das Herausholen des Gefangenen aus der Zelle sei „mit Tötungsvorsatz“ erfolgt. Dijkema hingegen habe nicht gewusst, dass er getötet werden sollte. Er sei deshalb „arglos“ gewesen, selbst als er aus dem Auto steigen sollte. In dem Augenblick, als er hinterrücks erschossen wurde, hatte er seine Hände in den Jackentaschen. „Eine bewusste Ausnutzung der Wehr- und Arglosigkeit.“
"Solche Aktionen waren ihm weder fremd noch unangenehm"

Mindestens einer der beiden Sicherheitspolizisten habe geschossen, vermutlich aber beide, also auch der angeklagte Siert B., hatte sich der Oberstaatsanwalt überzeugt gezeigt. Es fielen mindestens drei Schüsse, wovon zwei Schüsse das Opfer trafen. Die Leiche des Widerstandskämpfers wurde aus der Blutlache auf der Straße in einen Graben gezogen.

„Solche Aktionen waren ihm weder fremd noch unangenehm“, hatte Oberstaatsanwalt Brendel den betagten Breckerfelder charakterisiert.

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