10.01.2014 - 00:04 Uhr bild.de
SS-Scherge nach 69 Jahren angeklagt
Von G. XANTHOPOULOS, H.-W. SAURE und M. VOISIN

Köln – Ein älterer Herr mit Hut verlässt sein Haus im Kölner Westen. Seine Hände umklammern einen Rollator. Er ist auf dem Weg zum Supermarkt...

Diese Hände hielten vor 69 Jahren das Sturmgewehr 44. Und damit soll der Kölner SS-Mann unschuldige Menschen erschossen haben.

Die Dortmunder Staatsanwaltschaft ist sich sicher: Werner C. (88), einer der letzten Überlebenden des SS-Regiments „Der Führer“, war 1944 am Nazi-Massaker im französischen Oradour-sur-Glane beteiligt!

642 unschuldige Dorfbewohner – auf Befehl ermordet. Besonders grausam: Mehr als 400 Frauen und Kinder trieben die SS-Killer in die Dorfkirche, verriegelten sie und steckten sie in Brand. Nur eine Frau überlebte.

Die 200 Männer aus dem Dorf wurden in Scheunen zusammengepfercht und von Erschießungskommandos hingerichtet. Nur zwei Franzosen konnten fliehen.

Einer der Täter sei Werner C. gewesen. Er wurde jetzt wegen 25-fachen gemeinschaftlichen Mordes sowie Beihilfe zum Mord an hunderten Menschen angeklagt.

Trotz Anklage geht der Scherge seinem geregelten Alltag nach. Als BILD-Reporter ihn gestern aufspüren, ist C. (gelernter Zimmermann, verwitwet, war bis zur Rente Polier auf dem Bau) gerade beim Einkaufen. „Meine Wochenration“, sagt er. 300 Gramm Kräuteraufstrich, Grillhaxe, Dose Bohnen, zwei Liter Vollmilch, 1 Kilo Braeburn-Äpfel und 2,5 Kilo Rispentomaten. Alles für 23,03 Euro.

An seinem Haus auf das Massaker angesprochen, sagt er: „Ja, ich war dabei. Aber ich habe nicht einen Schuss abgeben. Ich war nicht in der Scheune. Ich stand als Posten an den Fahrzeugen.“

Dann behauptet er gar: „Ich habe zwei Frauen das Leben gerettet. Als alle Dorfbewohner auf dem Marktplatz zusammengetrieben worden waren, kamen die Frauen aus dem Wald. Ich rief ihnen zu, sie sollen zurück in den Wald abhauen. Das taten sie auch.“

Oberstaatsanwalt Andreas Brendel, Ankläger der Dortmunder Staatsanwaltschaft für NS-Kriegsverbrechen, bezweifelt das: „Wir haben andere Erkenntnisse.“ C. soll als Maschinengewehrschütze mit 14 anderen SS-Schergen 25 Franzosen in einer Scheune hingerichtet haben.

Brendel: „Keiner der Nazi-Täter hat jemals zugegeben, dass er einen Menschen getötet hat. Alle wollen nicht einen Schuss abgegeben haben.“

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