24.06.2014 oberpfalznetz.de
Applaus und Schelte

Reaktionen aus USA und Israel auf die Festnahme Johann Breyers - Nebenklage ungeduldig

Weiden. (ca) Das Echo auf die Festnahme des 89-jährigen Johann Breyer aus Philadelphia ist international. Für die Staatsanwälte in Weiden gibt es Beifall und Schelte zugleich. Efraim Zuroff, Chef-Nazijäger des Simon-Wiesenthal-Centers in Jerusalem, wird von der Agentur Associated Press (AP) zitiert: "Deutschland verdient Anerkennung - für die Ausweitung und Intensivierung seiner Bemühungen beim letzten Versuch, Holocaust-Täter zu verfolgen."

Nebenklagevertreter Thomas Walther erneuert dagegen seinen Vorwurf, das Verfahren sei 2013 unnötig verzögert worden. Der Anwalt (früher Richter) vertritt acht Nebenkläger aus Ungarn, den USA und Deutschland. Es handelt sich um Eltern und Geschwister von Opfern der "Ungarn-Aktion", bei der von Mai bis Oktober 1944 rund 216 000 Juden ermordet wurden. In dieser Zeit tat Breyer in der 8. SS-Totenkopf-Wachkompanie in Auschwitz-Birkenau Dienst. Laut Walther war die Vernehmung der Ungarn überflüssig. Sie sei nicht in den Haftbefehl eingeflossen und habe die Angehörigen unnötig belastet. "Der Haftbefehl hätte auch sechs Monate früher erlassen werden können." Es sei ausschließlich der Schlussbericht der Zentralen Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen Ludwigsburg verwandt worden.

"Wir widersprechen dem Vorwurf der Verzögerung", nahm dazu der Weidener Oberstaatsanwalt Rainer Lehner in Vertretung von Leiter Gerd Schäfer am Montag Stellung. "Es waren erhebliche weitere Ermittlungen nötig." Und selbst nach diesen Nachermittlungen hatten die USA noch Fragen. Ein Staatsanwalt war teilweise für den Fall freigestellt. Auch nach dem Haftbefehl vom Juni 2013 sei intensiv an einer möglichen Anklage gearbeitet worden: "Wir haben die Zeit genutzt, uns vorzubereiten."

Zu alt für Verfolgung?

In Amerika stößt die Arbeit der deutschen Justiz auf Anerkennung. Die "New York Times" schreibt: "Über Jahre war Deutschland nicht bereit, Nazis aus den USA zurückzunehmen. Breyers überraschende Festnahme aufgrund eines Auslieferungsersuchens aus Deutschland unterstreicht eine neue Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern bei der Verfolgung ehemaliger Nazis." Breyers Verhaftung habe aber auch die Debatte neu entfacht, "ob Naziverdächtige zu alt sein können, um für vergangene Taten verfolgt zu werden". Neal Sher, früherer Leiter des OSI (Office of Special Investigations) der US-Justiz gibt die Antwort: "Das sind beispiellose Verbrechen, die keine Verjährungsfrist haben."

Breiten Raum widmet auch CNN diesen Fragen und konsultiert den eigenen Rechtsanalysten Jeffrey Toobin: "Eine der Kernfragen ist: Wie kann die Bundesregierung oder irgendeine Regierung jemanden belangen - so lange nach dem eigentlichen Verbrechen? Wie kann man das beweisen? Auf welche Zeugen kann man setzen? Wie können sie beweisen, was in den 1940ern passiert ist?"

Eben daran arbeiteten die letzten Jahre die Staatsanwälte, erst in Ludwigsburg, dann in Weiden. Unterstützt wurden sie zuletzt von einem Historiker, international anerkannter Experte in genau diesen Fragen. Er legte dar, welche Wachkompanie wann, wo und wie eingesetzt war. Das Ergebnis spricht gegen Breyer. Er hatte in seinem Staatsbürgerprozess ab 1993 ausgesagt, nur im Arbeitslager Auschwitz I gewesen und 1944 ohnehin vom Heimaturlaub nicht zurückgekehrt zu sein. Breyer konnte 2003 US-Bürger bleiben: weil seine Mutter gebürtige Amerikanerin war und er selbst zur Tatzeit minderjährig. Die alten Akten sind online abrufbar, ebenso der aktuelle 17-seitige US-Strafantrag (Links unter: www. oberpfalznetz.de/breyer).

Die Nebenkläger hoffen auf baldige Auslieferung und Anklageerhebung. "Das hohe Lebensalter von Herrn Breyer und der Nebenkläger darf ein Gerichtsverfahren nicht verhindern", appelliert Walther. Er zitiert seine ungarischen Mandanten nach der Festnahme: "Dann muss ich meine Hoffnung auf Gerechtigkeit doch noch nicht aufgeben."

Bis Ende des Jahres

Es wird noch viel mehr Geduld nötig sein. Am 21. August findet vor dem "District Court" in Philadelphia die Verhandlung über die Auslieferung statt. Jurist Walther geht davon aus, dass das Gericht dann Zeit benötigt, um die Entscheidung zu formulieren. Sollte die Auslieferung bewilligt werden, hat Breyer die Möglichkeit, zum Court of Appeals Rechtsmittel einzulegen. Sein Anwalt Dennis Boyle hat dies bereits angekündigt. "All dies wird unter Umständen bis gegen Ende des Jahres dauern", meint Jurist Walther.

Laut "Spiegel" vom Montag sind zuletzt 11 von 30 deutschen Verfahren gegen ehemalige SS-Leute im Alter von 88 bis 94 Jahren eingestellt worden. Großteils waren sie nicht verhandlungsfähig. "Der neuerliche Versuch der deutschen Justiz, Verbrechen von Auschwitz zu verfolgen, läuft in etlichen Fällen ins Leere."

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