01.12.2014, 19:37 Uhr t-online.de
Judenmörder Alois Brunner starb in Syrien

Alois Brunner schickte im Nazi-Regime Hunderttausende Juden in den Tod. Nach dem Krieg tauchte er in Syrien unter, half dem Geheimdienst beim Foltern. Nun wurde bekannt: Der NS-Verbrecher ist seit fünf Jahren tot.

Damaskus - Der Mann, der mehr als hunderttausend Juden in den Tod geschickt hatte, gab seinem Gast aus Österreich Folgendes mit auf den Weg: "Junger Freund, lassen Sie mir das schöne Wien grüßen und seien Sie froh, dass ich es für Sie judenfrei gemacht habe."

Im Jahr 1987 sagte Alois Brunner diesen Satz zu dem österreichischen Journalisten Kurt Steinitz. Es war eine der letzten öffentlichen Aussagen des NS-Verbrechers, danach verlor sich seine Spur in Syrien. Nun gibt es wohl Klarheit über das Schicksal Brunners. Wie das Simon-Wiesenthal-Zentrum am Sonntag bekannt gab, starb er 2009 im Alter von 98 Jahren in Syrien.

Brunner war im Naziregime der wichtigste Mitarbeiter von Adolf Eichmann. Gemeinsam organisierten die beiden SS-Männer die Deportation der Juden aus Berlin, Wien, Frankreich und Griechenland. Der gebürtige Österreicher Brunner wachte darüber, dass die Menschen nach Auschwitz transportiert wurden, selbst Babys verschonte er nicht.

Während Eichmann 1960 von israelischen Agenten aus Argentinien entführt und in Jerusalem vor Gericht gestellt wurde, blieb Brunner Zeit seines Lebens gerichtlich unbehelligt.

SS-Kameraden halfen Brunner bei der Flucht nach Syrien

"Wir haben die Information von einem ehemaligen deutschen Geheimdienstagenten im Nahen Osten erhalten, dass Brunner tot ist und in Damaskus begraben wurde", sagte Efraim Zuroff, Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, das sich mit den Verbrechen des Holocaust beschäftigt.

Wegen des Syrien-Krieges gebe es derzeit zwar keine Möglichkeit, diese Information zu überprüfen. Zuroff schätzt die Quelle jedoch als sehr glaubwürdig ein. "Angesichts seines hohen Alters ist es auch keine Überraschung, dass er tot ist", so Zuroff weiter.

Brunner war in den Fünfzigerjahren nach Syrien geflüchtet, zuvor hatte er unter falschem Namen in Essen gelebt. Bei seiner Flucht halfen ihm Seilschaften aus der Nazi-Ära. Mit dem Pass seines ehemaligen SS-Kameraden Georg Fischer reiste Brunner nach Syrien. Dort nahm er den Namen des Fluchthelfers an, lebte als Georg Fischer in Damaskus. In der Stadt eröffnete er ein kleines Geschäft, in dem er westliche Produkte und selbstgemachtes Sauerkraut an zumeist europäische Kunden verkaufte.

Bald wurde der syrische Geheimdienst auf den Nazi-Schergen aufmerksam, Brunner diente sich dem Regime an. Eines der berüchtigtesten Folterinstrumente in Syrien soll auf ihn zurückgehen: der "deutsche Stuhl". Dabei wird der Häftling auf ein stuhlähnliches Gerät gesetzt, das aus beweglichen Teilen besteht und mit dem der Körper des Gefangenen überdehnt wird. Häufig führt diese Methode dazu, dass den Opfern die Wirbelsäule gebrochen wird.

Der Mossad schickte zwei Briefbomben

Das Regime schützte Brunner: Französische Gerichte hatten ihn wegen seiner Verbrechen an den französischen Juden zweimal zum Tode und einmal zu lebenslanger Haft verurteilt. Auch die deutschen Behörden wurden aktiv, die Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen setzten eine Belohnung von einer halben Million Mark für Hinweise zu seinem Aufenthaltsort aus. Das Assad-Regime behauptete stets, es kenne keinen Alois Brunner.

Dabei lebte dieser lange unbehelligt in Damaskus. 1985 gab er der Illustrierten "Bunte" ein Interview. Brunner zeigte keinerlei Reue. Ja, es sei an der Judenverfolgung im NS-Regime beteiligt gewesen und das sei auch gut und richtig gewesen. Bei dem Gespräch zeigte sich der damals 72-Jährige so voller Hass, dass die "Bunte" nur eine stark zensierte Version des Interviews veröffentlichte.

Zwei Jahre später spürte ihn der "Krone"-Journalist Steinitz auf. Die internationale Aufmerksamkeit, die Brunners Redseligkeit verursachte, wurde irgendwann auch Diktator Hafis al-Assad zu viel. Er verhandelte in den späten Achtzigerjahren mit der befreundeten DDR über eine Auslieferung, der Mauerfall rettete den Nazi-Schergen. Stattdessen ließ Assad den Österreicher vorübergehend aus Damaskus entfernen und brachte ihn in einem Gästehaus der Regierung im Bergdorf Slinfah unter.

Um die Jahrtausendwende wurde Brunner noch einmal in einem Luxushotel in Damaskus gesichtet. Seither fehlte jede Spur. Er war allen Nazi-Jägern entkommen - und auch dem israelischen Geheimdienst. 1961 und 1980 schickte der Mossad Briefbomben an den Naziverbrecher. Beim ersten Anschlag verlor Brunner ein Auge, der zweite verstümmelte seine linke Hand. So lebte er bis 2009 in Syrien - voller Hass bis zum Schluss.

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