2.12. 2014 ikg-wien.at
Nazi-Verbrecher Alois Brunner wurde nie zur Rechenschaft gezogen

Wien (APA) – Der mutmaßlich 2009 oder 2010 verstorbene Alois Brunner war im Naziregime der wichtigste Mitarbeiter von Adolf Eichmann. Gemeinsam organisierten die beiden SS-Männer die Deportation der Juden aus Berlin, Wien, Frankreich und Griechenland.

Der 1912 in Rohrbrunn (Bezirk Jennersdorf) im heutigen Burgenland geborene Brunner wachte darüber, dass die Menschen nach Auschwitz transportiert wurden. Während Eichmann 1960 von israelischen Agenten aus Argentinien entführt, in Jerusalem vor Gericht gestellt und 1962 hingerichtet wurde, blieb Brunner Zeit seines Lebens gerichtlich unbehelligt. Er lebte jahrzehntelang unter dem Schutz des Assad-Regimes in Syrien.

Nun hat das Wiesenthal-Zentrum Brunner von der Liste der meistgesuchten NS-Verbrecher entfernt. Bereits vor vier Jahren habe man von einem deutschen Geheimdienstmitarbeiter die Information erhalten, Brunner sei in Damaskus gestorben und begraben worden, sagte der Direktor des Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, Efraim Zuroff, am Montag.

Brunner war 1954 nach Syrien geflüchtet, zuvor hatte er unter falschem Namen in Essen gelebt. Bei seiner Flucht halfen ihm Seilschaften aus der Nazi-Ära. Mit dem Pass seines ehemaligen SS-Kameraden Georg Fischer reiste Brunner nach Syrien, wie “Spiegel Online” berichtete. Dort nahm er den Namen des Fluchthelfers an, lebte als Georg Fischer in Damaskus. In der Stadt eröffnete er ein kleines Geschäft, in dem er westliche Produkte und selbst gemachtes Sauerkraut an zumeist europäische Kunden verkaufte.

Bald wurde der syrische Geheimdienst auf den Nazi-Schergen aufmerksam, Brunner diente sich dem Regime an. Eines der berüchtigtsten Folterinstrumente in Syrien soll auf ihn zurückgehen: der “deutsche Stuhl”, so “Spiegel Online”. Dabei werde der Häftling auf ein stuhlähnliches Gerät gesetzt, das aus beweglichen Teilen bestehe und mit dem der Körper des Gefangenen überdehnt werde. Häufig führe diese Methode dazu, dass den Opfern die Wirbelsäule gebrochen werde.

Das Regime schützte Brunner: Französische Gerichte hatten ihn wegen seiner Verbrechen an den französischen Juden zweimal zum Tode und einmal zu lebenslanger Haft verurteilt. Auch die deutschen Behörden wurden aktiv, die Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen setzten eine Belohnung von einer halben Million Mark für Hinweise zu seinem Aufenthaltsort aus. Das Assad-Regime behauptete stets, es kenne keinen Alois Brunner.

Als 1986 der damalige Bundespräsident Kurt Waldheim während seines Staatsbesuchs in Syrien Vizepräsident Abdelhalim Khaddam das österreichische Auslieferungsbegehren für Brunner alias Fischer überreichte, erhielt er am nächsten Tag von Khaddam die Auskunft: “Tut uns Leid, einen Mann namens Georg Fischer gibt es in Syrien nicht.”

Kurz zuvor hatte aber der “Krone-Journalist” Kurt Seinitz “Georg Fischer” in Damaskus getroffen und interviewt. Er habe “mit dem widerwärtigsten Menschen, der mir je untergekommen ist” gesprochen, berichtete Seinitz danach. Ein Schlüsselsatz des Reuelosen lautete: “Seien Sie froh, dass ich das schöne Wien für Sie judenfrei gemacht habe.”

Schon 1985 hatte Brunner der Illustrierten “Bunte” ein Interview gegeben. Er gab zu, an der Judenverfolgung im NS-Regime beteiligt gewesen zu sein, das sei auch gut und richtig gewesen. Bei dem Gespräch zeigte sich der damals 72-Jährige so voller Hass, dass die “Bunte” nur eine stark zensierte Version des Interviews veröffentlichte.
Die internationale Aufmerksamkeit, die Brunners Redseligkeit verursachte, wurde irgendwann auch Diktator Hafez al-Assad zu viel. Er verhandelte in den späten Achtzigerjahren mit der befreundeten DDR über eine Auslieferung, der Mauerfall rettete den Nazi-Schergen, wie auch das Magazin “profil” berichtete.

2001 wurde Brunner noch einmal in einem Luxushotel in Damaskus gesichtet. Seither fehlte jede Spur. Er war allen Nazi-Jägern entkommen – und auch dem israelischen Geheimdienst. 1961 und 1980 schickte der Mossad Briefbomben an den Naziverbrecher. Beim ersten Anschlag verlor Brunner ein Auge, der zweite verstümmelte seine linke Hand.

“In der arabischen Welt sind NS-Verbrecher wie Helden gefeiert worden”, kommentierte Zuroff. Man könne allerdings nicht sagen, dass Brunner nach dem Holocaust sein Leben friedlich und ungestört gelebt habe, so der Direktor des Wiesenthal-Zentrums.

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