19. 12. 2014 badische-zeitung.de
NS-Fahndungsstelle: Die Jagd auf Nazis geht weiter

Auch wenn die Tatverdächtigen Greise sind oder tot – die Ermittler der einzigartigen NS-Fahndungsstelle aus Ludwigsburg geben ihre Suche nicht auf. Die Nazijagd geht unvermindert weiter.

"Im Augenblick denkt noch niemand über eine Jahreszahl zur Schließung der Behörde nach", sagte der Leiter der weltweit einzigartigen NS-Fahndungsstelle in Ludwigsburg, Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm. Schrimm, der seine Dienstzeit schon einmal verlängert hat, wird voraussichtlich Ende September 2015 in den Ruhestand gehen.

Für Schrimm lohnt die Suche nach NS-Verbrechern auch weiterhin. Seine Behörde hat in diesem Jahr erneut neue Vorermittlungsverfahren an die zuständigen Staatsanwaltschaften abgegeben. "Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht." Die NS-Stelle wurde 1958 gegründet. Sie soll Täter ermitteln und mit Hilfe der Staatsanwaltschaften vor Gericht bringen.

Nach dem Konzentrationslager Auschwitz nahmen die Ludwigsburger Ermittler zuletzt vor allem Verbrechen im früheren deutschen Vernichtungslager Majdanek ins Visier: Nach Angaben Schrimms wurden jüngst zwölf Fälle nach Stuttgart, München, Dortmund, Mainz, Leipzig Hamburg und Nürnberg abgegeben. Allesamt betreffen ehemalige Aufseher in Majdanek. "Ihnen wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen", sagte Schrimm. Im Laufe der Ermittlungen wurden 28 mögliche NS-Verbrecher ausfindig gemacht, es stellte sich heraus, dass 16 von ihnen bereits gestorben waren.

Die Ludwigsburger hatten nach Verdächtigen gesucht, die insbesondere von September 1942 bis September 1943 in Majdanek aktiv waren. In diesem Zeitraum wurde Majdanek als Vernichtungslager genutzt. Bereits Ende 2013 hatte die Zentrale Stelle wegen Beihilfe zum Mord in Auschwitz 32 Vorermittlungen an Staatsanwaltschaften in elf Bundesländern abgegeben.

Interessant sind laut Schrimm nach wie vor die Archive in Russland, Brasilien und Peru. Moskau habe Gerichtsakten von als Kriegsverbrechern verurteilten deutschen Gefangenen an die Nachfolgestaaten der Sowjetunion weitergereicht. "Die Russen sind nur bereit, uns die Unterlagen über diejenigen einsehen zu lassen, die nach dem Zweiten Weltkrieg nicht amnestiert wurden." Schrimm und seine Kollegen, wollen aber auch an die Akten der Amnestierten herankommen, denn auch unter diesen könnten Kriegsverbrecher sein. "Wenn die russische Generalstaatsanwaltschaft zustimmt, gelingt das vielleicht. Wir haben sie darum gebeten."

In Brasilien schlummert laut Schrimm "ungeheures Material". Im kommenden Jahr werde er mit seinen Kollegen noch einmal nach Rio reisen, um erneut Zehntausende Karteikarten von nach Brasilien eingewanderten zu sichten. Die Suchkriterien weltweit sind seit Jahren die gleichen: Gerastert wird nach den Geburtsjahren 1915 bis 1928, die Einreisezeit sollte zwischen 1945 und 1955 liegen. Alleinreisende erregen Aufmerksamkeit und erst recht, wenn sie mit einem Pass des Internationalen Roten Kreuzes ausgestattet waren. Das Rote Kreuz war auf allen europäischen Kriegsschauplätzen vertreten. Rot-Kreuz-Helfer erhielten Zugang zu Konzentrationslagern, organisierten Hilfe für Flüchtlinge und Verfolgte, die sich versteckt hielten. Bekannt ist laut Schrimm aber auch, dass viele Nazis sich mit Hilfe von Rot-Kreuz-Dokumenten in andere Länder absetzten.

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