14. April 2015, 12:23 Uhr sueddeutsche.de
Simon-Wiesenthal-Zentrum lobt Deutschland

  • Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hebt Deutschland in seinem Jahresbericht zur strafrechtlichen Verfolgung von NS-Kriegsverbrechern positiv hervor.
  • Deutschland bemühe sich in den vergangenen Jahren verstärkt um die Verfolgung noch lebender Täter.
  • Österreich, die Ukraine, Schweden und Norwegen unternehmen nach Ansicht des Zentrums zu wenig.
Anerkennung der deutschen Strategie

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum lobt in seinem Jahresbericht zur strafrechtlichen Verfolgung von NS-Kriegsverbrechern die Bemühungen Deutschlands, Kriegsverbrechen aus der Zeit des Nationalsozialismus zur Anklage zu bringen. Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen habe mehrere Dutzend Individuen ausfindig gemacht, die in den Konzentrationslagern Auschwitz-Birkenau und Majdanek tätig gewesen seien, und ihre strafrechtliche Verfolgung empfohlen. Das seien "die wichtigsten positiven Ergebnisse" im Zeitraum von April 2014 bis März 2015.

Das Wiesenthal-Zentrum sieht die Ergebnisse als Resultat einer neuen juristischen Strategie Deutschlands. Diese ermögliche die Verurteilung praktisch jeder Person, die in einem Vernichtungslager tätig oder Teil einer der sogenannten Einsatzgruppe, mobiler Mördertrupps, war. Dieser Ansatz sei zum ersten Mal seit 50 Jahren im Falle von John Demjanjuk erfolgreich angewendet worden.

Der gebürtige Ukrainer war 2011 wegen Beihilfe zum Mord in 20 000 Fällen im Vernichtungslager Sobibor verurteilt worden. Das Urteil wurde allerdings nie rechtskräftig. Verteidigung und Staatsanwaltschaft gingen in Revision. Bevor es zu einer Entscheidung im Revisionsverfahren kam, starb Demjanjuk 2012.

Vorwürfe an andere Staaten

Mit Blick auf weltweite Ermittlungen sagte der Autor des Wiesenthal-Berichts, Efraim Zuroff, entgegen landläufiger Meinung sei es nicht zu spät, die Täter zur Verantwortung zu ziehen. "Während der vergangenen 14 Jahre sind mindestens 102 Urteile gegen Nazi-Kriegsverbrecher ergangen, wenigstens 98 neue Anklagen sind erfolgt und weit über 3500 neue Ermittlungen wurden eingeleitet."

Oftmals fehle jedoch "der politische Wille, Nazi-Kriegsverbrecher zur Rechenschaft zu ziehen und/oder zu bestrafen", vor allem im postkommunistischen Osteuropa, beklagt die Organisation in ihrem Bericht. Den baltischen Ländern wirft das Zentrum vor, eine Kampagne zur Verzerrung der Geschichte des Holocaust zu führen, nämlich die Verbrechen des kommunistischen Sowjetregimes als denen der Nazis gleichwertig einstufen zu lassen. Doch auch Österreich, die Ukraine sowie Schweden und Norwegen unternähmen nichts, um die Täter vor Gericht zu bringen.

Das Wiesenthal-Zentrum ist eine internationale Nichtregierungsorganisation (NGO) mit Hauptsitz in Los Angeles, die sich die Erforschung des Holocaust zur Aufgabe gemacht hat.

Mit dem Jahresbericht veröffentlichte die NGO außerdem eine Liste der aktuell "meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher" und der derzeit laufenden individuellen Fälle: Sechs der zehn Männer leben in Deutschland.

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