Sa., 09.01.2016 westfalen-blatt.de
Auschwitz-Prozess ab 11. Februar

Detmold (WB/bex). Der Prozess gegen den ehemaligen SS-Mann Reinhold H. aus Lage wird am Donnerstag, 11. Februar (10 Uhr), beginnen. Das hat das Landgericht Detmold am Freitag mitgeteilt.

Die für die Verfolgung von NS-Verbrechen zuständige Staatsanwaltschaft Dortmund hat gegen den 94-Jährigen Anklage wegen Beihilfe zum Mord im NS-Vernichtungslager Auschwitz in mindestens 170 000 Fällen erhoben. Insgesamt sind bis zum 20. Mai zwölf Verhandlungstermine angesetzt, wie Gerichtssprecherin Anneli Neumann am Freitag mitteilte. Nach Angaben des Gerichts in Detmold gibt es bislang 19 zugelassene Nebenkläger unter anderem aus Israel, den USA, Kanada und England. »13 weitere Anträge werden noch geprüft«, sagte Neumann dieser Zeitung. Für die Öffentlichkeit und die Presse stehen jeweils 60 Plätze im Gerichtssaal zur Verfügung, davon allein 23 für ausländische Pressevertreter. Wegen des großen Interesses findet die Verhandlung des Landgerichts im Saal der Industrie- und Handelskammer Lippe, Leonarda-da-Vinci-Weg 2, statt.

An Tötung von 170.000 Menschen beteiligt?

Der frühere SS-Mann soll im Januar 1942 in das Konzentrationslager im damals deutsch besetzten Polen versetzt worden und dann sowohl für die Bewachung des Stammlagers Auschwitz sowie des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau zuständig gewesen sein. Als Angehöriger der Wachmannschaft soll er von Januar 1943 bis Juni 1944 an der Tötung von mindestens 170.000 Menschen beteiligt gewesen sein. Der Rentner hatte den Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge bereits bei einer Hausdurchsuchung eingeräumt, in Auschwitz eingesetzt gewesen zu sein. Er bestreitet jedoch eine Beteiligung an den Tötungen.

Die »tageszeitung« berichtete am Freitag unter Berufung auf Justizbehörden, auch Gerichte in Hanau, Neubrandenburg und Kiel würden entsprechende Verfahren vorbereiten. Alle Beschuldigten seien mehr als 90 Jahre alt. Die Anklagen würden ebenfalls jeweils auf Beihilfe zum Mord lauten.

In Neubrandenburg gehe es um einen ehemaligen Unterscharführer (95), der 1944 in der SS-Sanitätsstaffel des Lagers Auschwitz eingesetzt worden war. Das Hauptverfahren sei bereits eröffnet, der Prozessbeginn noch offen. In Hanau entscheide das Landgericht in den nächsten Wochen über ein Verfahren gegen einen 92-Jährigen. Seine Taten könnten mit dem Jugendstrafrecht geahndet werden, da der Beschuldigte sie im Alter von 19 und 20 Jahren begangen haben sollen. In Kiel lasse das Gericht die Verhandlungsfähigkeit einer 91-jährigen Frau überprüfen, die 1944 als Funkerin in der Kommandantur von Auschwitz gearbeitet habe.

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