24.01.2016 tagesspiegel.de
Wer sind die letzten Täter von Auschwitz?
Von Claudia von Salzen

Mehr als sieben Jahrzehnte nach der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz beschäftigen sich deutsche Gerichte mit diesem unvorstellbaren Verbrechen. Lesen Sie hier einen Auszug und den ganzen Text im Digital-Kiosk Blendle.

Noch einmal kehren sie an diesem Mittwoch nach Auschwitz zurück. Am 71. Jahrestag der Befreiung werden Überlebende des nationalsozialistischen Vernichtungslagers gemeinsam der Ermordeten gedenken. Diese Reise in die Vergangenheit ist für die betagten früheren Auschwitz-Häftlinge alles andere als einfach. Doch sie wollen ihre ermordeten Angehörigen und ihre Lebensgeschichten dem Vergessen entreißen. "Wenn wir vergessen, wird das Gewissen der Menschheit zusammen mit den Opfern beerdigt. Wir müssen uns alle erinnern", sagte Roman Kent, der Vorsitzende des Internationalen Auschwitz-Komitees, im vergangenen Jahr. Doch die Gruppe der Menschen, die über die Hölle von Auschwitz noch Zeugnis ablegen können, wird immer kleiner. Gerade jetzt, mehr als sieben Jahrzehnte nach dem Holocaust, beschäftigt der Massenmord an den europäischen Juden auch die deutsche Justiz.

Vier Gerichte in Deutschland befassen sich derzeit mit Auschwitz, dem Ort, der wie kein anderer für den Holocaust steht. Mehr als 1,1 Millionen Menschen wurden in dem Vernichtungslager ermordet, die meisten von ihnen waren Juden. Deutsche Staatsanwälte aus einer Generation, die den Krieg nur aus der Erzählung von Großeltern kennt, studierten Pläne des Lagers, informierten sich über die Wirkungsweise von Zyklon B in den Gaskammern und arbeiteten Listen durch, in denen die Züge nach Auschwitz verzeichnet sind. Drei Männer und eine Frau, die zum SS-Personal gehörten, wurden im vergangenen Jahr wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Zwei von ihnen müssen sich ab Februar vor Gericht verantworten. Alle vier werden zumindest gedanklich noch einmal nach Auschwitz zurückkehren.

tagesspiegel.de