06.02.2016 hiergeblieben.de
Gröning & Co.: Haftstrafen im hohen Alter
Von Silke Buhrmester

Lüneburg. Im niedersächsischen Lüneburg wurde Mitte Juli 2015 der damals 94-jährige Oskar Gröning - der "Buchhalter von Auschwitz" - wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen vom Landgericht zu vier Jahren Haft verurteilt. Doch das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sowohl die Nebenkläger-Vertreter als auch Grönings Verteidiger legten Revision ein. Ob Gröning die Haft je antreten muss, ist unklar.

In dem Lüneburger Prozess traten 62 Nebenkläger auf, viele traten auch in den Zeugenstand und berichteten von ihrem Leid als Opfer in der NS-Zeit oder Angehörige von in Auschwitz Ermordeten.

Gröning hatte in dem Verfahren eine moralische Schuld eingeräumt: Er habe als Freiwilliger der Waffen-SS im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau in der Verwaltung das Geld der ankommenden Häftlinge gezählt, registriert und nach Berlin weitergeleitet. Zudem gab er zu, dass er auch mehrfach Dienst an der Rampe gehabt habe, von wo die meisten ankommenden Menschen direkt in die Gaskammern geschickt, die übrigen interniert wurden.

Dass er dafür juristisch belangt werden würde, damit hatte der alte Mann nicht mehr gerechnet. Denn Grönings Tätigkeit als SS-Mann war lange bekannt gewesen. Bereits1978 war er vernommen worden und hatte ausgesagt, 1985 dann war das Verfahren gegen ihn eingestellt worden. Und selbst nach einem "Spiegel"-Interview im Jahre 2005 war nach einer nochmaligen juristischen Prüfung entschieden worden, das Verfahren gegen Gröning nicht wieder aufzunehmen.

Die juristische Bewertung, nach der KZ-Aufsehern eine direkte Beteiligung an den Morden nachgewiesen werden musste, änderte sich erst 2011 mit dem Urteil des Landgerichts München gegen Iwan "John" Demjanjuk, einem ehemaligen SS-Wächter aus dem Vernichtungslager Sobibor. Das Gericht verurteilte den ukrainischen Soldaten, der als Hilfswilliger für die SS arbeitete, zu fünf Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord in 28.000 Fällen. Das Urteil gegen Demjanjuk wurde zwar nie rechtskräftig, denn während das Revisionsverfahren lief, verstarb er im März 2012 im Alter von 91 Jahren. Dennoch ist es wegweisend für den Umgang der deutschen Justiz mit SS-Leuten wie Gröning oder jetzt auch dem Lagenser Reinhold H. oder Hubert Z., einem ehemaligen SS-Sanitäter von Auschwitz, dem Ende Februar in Neubrandenburg der Prozess gemacht werden soll. Der Grundsatz lautet: Beihilfe zum Mord verjährt nicht.

Bildunterschrift: Erwartet den Urteilsspruch: Oskar Gröning, der "Buchhalter von Auschwitz", am15. Juli 2015 vor dem Landgericht Lüneburg.

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