08.03.2016 hiergeblieben.de
SS-Mann will im KZ nie Leichen oder Ermordungen gesehen haben
Von Silke Buhrmester

Detmold. Im Auschwitz-Prozess werden vor dem Detmolder Landgericht am Freitag erstmals keine Überlebenden des Holocaust aussagen. Am sechsten Prozesstag sind zwei Zeugen geladen: Neben Jakob Wendel (92), einem ehemaligen SS-Wachmann in Auschwitz, auch der LKA-Ermittler Stefan Willms.

Laut Sprecherin Anneli Neumann geht das Gericht, entgegen anderslautenden Informationen, davon aus, dass der Senior, der in Karlsruhe lebt, persönlich in Detmold aussagt. Nach Informationen dieser Zeitung soll Wendel selbst zweieinhalb Jahre lang als SS-Wachmann in Auschwitz tätig gewesen sein. In seiner Aussage, die er vor den Ermittlern gemacht hat, soll er zugegeben haben, sowohl auf den Wachtürmen als auch als Begleitung von Arbeitskommandos eingesetzt gewesen zu sein. Von den Gaskammern will er gewusst haben, den Geruch brennenden Fleisches wahrgenommen haben. Er habe aber weder Leichen gesehen, noch sei er Zeuge von Ermordungen geworden.

Wendel war 1948 von einem polnischen Gericht wegen seiner Tätigkeit in Auschwitz zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Ein weiteres Mal konnte ihm deshalb in Deutschland nicht der Prozess gemacht werden, die Ermittlungen gegen ihn wurden 2014 eingestellt.

Nachdem Wendels Pension wegen seiner Nazi-Vergangenheit gekürzt worden war, ließ er öffentlich verlauten, dass auch er ein Opfer des Regimes gewesen sei.

Neben dem Jakob Wendels war auch der Name des 94-jährigen Lagensers Reinhold Hanning auf einer Liste von ursprünglich 50 SS-Wachmännern aufgetaucht, die in Auschwitz eingesetzt waren. Vier von diesen SS-Leuten soll in diesem Jahr noch der Prozess gemacht werden: Neben Hanning sind zwei Männer in Neubrandenburg und Hanau sowie eine Frau in Kiel angeklagt. Hanning steht wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 170.000 Fällen im KZ Auschwitz seit dem 11. Februar vor Gericht. Vernommen worden war er seinerzeit von LKA-Ermittler Stefan Willms, der am Freitag ebenfalls in den Zeugenstand gerufen wird. Der Prozess beginnt um 10 Uhr. Wie berichtet, ist die Zahl der Publikumsplätze wegen des großen Andrangs von 60 auf 85 erhöht worden.

Bildunterschrift: Soll aussagen: LKA-Ermittler Stefan Willms (l.) und Staatsanwalt Andreas Brendel unterhalten sich in Detmold.

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