08.03.2016 hiergeblieben.de
Weiterer SS-Mann als Zeuge geladen / Jakob Wendel (92) soll über Dienst in Auschwitz berichten - Er ist aber umstritten
Von Bernd Bexte

Detmold (WB). Wie sah der Alltag der SS-Wachmannschaften in Auschwitz aus? Im Detmolder Prozess wird am Freitag der 92-jährige ehemalige SS-Mann Jakob Wendel als Zeuge aussagen.

Der Mann aus der Nähe von Stuttgart war ebenso wie der Angeklagte Reinhold Hanning (94) Wachmann im größten Vernichtungslager der Nazis. Das Landgericht erhofft sich von seiner Aussage ein Bild von den Tätigkeiten der SS-Angehörigen. Wendel ist allerdings umstritten. Er hatte sich 2011 bei Kanzlerin Angela Merkel und dem damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff beschwert, dass der Staat seine Altersbezüge wegen Verstoßes "gegen die Grundsätze der Menschlichkeit" in der NS-Zeit um 59 Euro monatlich gekürzt hatte. Dies war auf Grund einer Gesetzesänderung in der Ära Helmut Kohl möglich.

2014 hatte sich der ehemalige SS-Sturmmann gegenüber der britischen Presse ausführlich geäußert und gesagt, dass er selber Opfer der Nazis gewesen sei. "Mir wurden zehn Jahre meines Lebens gestohlen", zitierte ihn die "Daily Mail". "Warum soll ich nach 70 Jahren noch dafür verantwortlich gemacht werden?"

Dem Boulevard-Blatt "The Sun" erklärte Wendel: "Ich schlafe ruhig, weil ich nichts Falsches getan habe. Ich wusste um die Gaskammer, aber ich konnte nichts machen. Ich erinnere mich an den Geruch. Ich wusste, dass es brennende Menschen waren." Dem "Spiegel" sagte Wendel 2014: "Ich habe keinen geschlagen, keinen getreten, keinen umgebracht. Ich fühle mich nicht als Verbrecher, nur weil ich sie habe bewachen müssen."

Wendel ist gebürtiger Donauschwabe aus Beška, einem kleinen Ort nahe Belgrad. Nach dem Einmarsch von Hitlers Truppen in Jugoslawien 1941 sei er ein Jahr später gemustert und nach Auschwitz geschickt worden. Er habe keine Wahl gehabt, betonte er gegenüber dem "Spiegel". Wendel kann unbehelligt aussagen. Dem studierten Architekten und Beamten im Ruhestand droht keine Strafverfolgung mehr, weil er im März 1946 in Krakau zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Deshalb greift der so genannte Strafklageverbrauch: Für eine Tat kann man nicht zweimal verurteilt werden. Wendel war mit 19 Jahren zur SS gekommen. Er war bis 1945 zweieinhalb Jahre als Wachmann in Auschwitz eingesetzt.

Für Freitag, den sechsten Verhandlungstag, ist auch die Aussage des LKA-Ermittlers Stefan Willms terminiert. Diese war bereits einmal verschoben worden. Willms hatte, wie berichtet, Reinhold Hanning am 19. Februar 2014 in dessen Wohnung vernommen. Die Verteidigung hat den Antrag gestellt, die Aussagen des Verhörs vor Gericht nicht zu verwerten.

Bildunterschrift: Der nächste Zeuge im Detmolder Prozess war auch SS-Mann in Auschwitz.

hiergeblieben.de