05.04.2016 - 16.57 Uhr hiergeblieben.de
16-jährige Hedy Bohm überlebte Auschwitz

Vor dem Detmolder Landgericht wird am Mittwoch (06.04.2016) der Auschwitz-Prozess fortgesetzt. Angeklagt ist ein 94-jähriger ehemaliger SS-Mann aus Lage. Ihm wird Beihilfe zum Mord im KZ Auschwitz in mindestens 170.000 Fällen vorgeworfen. Als Zeugin wird eine Auschwitz-Überlebende aussagen; ebenso soll ein Spezialermittler der Polizei Dokumente über den Angeklagten erläutern.

Die heute 87-jährige Hedy Bohm wurde 1944 mit ihren Eltern nach Auschwitz deportiert. Sie wurden in den Gaskammern umgebracht; die damals 16-jährige Hedy überlebte, weil sie nach drei Monaten in Auschwitz in ein Arbeitslager von Volkswagen nach Niedersachsen abgeordnet worden war.

Hedy Bohm, die heute in Kanada lebt, hatte schon 2015 in Lüneburg im Prozess gegen den früheren SS-Mann Gröning gesagt, sie verspüre keine Rachegelüste. Vergeben könne sie aber nicht. Auch im Detmolder Prozess sei ihr die Bestrafung des Angeklagten zweitrangig. Wichtig sei, dass der Prozess überhaupt stattfinde. Gerechtigkeit gebe es nur - so die Auschwitz-Überlebende - wenn nicht nur Opferzahlen genannt würden, sondern auch Eltern und Geschwister eine Stimme bekämen.

Als weiterer Zeuge soll auch der Sonderermittler der Polizei, Stefan Willms, aussagen. Er hatte schon am vergangenen Prozesstag zahlreiche Dokumente erläutert, die die Tätigkeit des Angeklagten Reinhold Hanning während seiner SS-Zeit belegen.

Bildunterschrift: Hedy Bohm.

Bildunterschrift: Stacheldrahtzaun in Auschwitz.

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- Mittwoch, 6. April 2016 um 19.00 Uhr -


Gesprächsabend mit der Auschwitz-Überlebenden Hedy Bohm: "Ich kann nicht vergeben - niemals"


Veranstaltungsort:

Haus Münsterberg
Hornsche Straße 38
32756 Detmold


Am 6. April 2016 wird um 10.00 Uhr der Auschwitz-Prozess gegen den ehemaligen SS-Unterscharführer Reinhold Hanning aus Lage im Saal der Industrie- und Handelskammer im Leonardo-da-Vinci-Weg 2 in Detmold fortgesetzt. Dort wird die Nebenklägerin Hedy Bohm aus Toronto als letzte Zeugin in der Detmolder Verhandlung aussagen, die Auschwitz überlebt hat. Der Gerichtssaal ist dabei der Raum, in dem durch die Achtung der Nebenklage geraubte Menschenwürde zurückerstattet werden kann: Hedy Bohm will am Mittwoch ihren in den Gaskammern ermordeten Eltern eine Stimme verleihen.

Hedy Bohm ist 1928 in Oradea (Rumänien) geboren. 1944 wurde sie aus dem dortigen Ghetto mit ihren Eltern nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Während sie als arbeitsfähig selektiert wurde, starben ihre Eltern in den Gaskammern. Hedy Bohm, die mit 16 Jahren das Vernichtungslager überlebte und nur durch die Abordnung in ein Arbeitslager von VW in Fallersleben vor der Ermordung gerettet wurde, hatte seit Kriegsende Deutschland nur noch auf der Durchreise betreten. Sie konnte nicht zurückkehren in das Land, das die Schuld an der Schoa trägt.

Die heute 87-jährige Jüdin trat aber dann im vergangenen Jahr vor dem Landgericht Lüneburg als Nebenklägerin beim Prozess gegen den "Buchhalter von Auschwitz", den früheren SS-Mann Oskar Gröning auf. Zweimal war sie aus ihrer Heimatstadt Toronto nach Lüneburg gekommen. "Ich komme her, um etwas Positives zu bewirken", sagt sie damals. "Ich kann eine Stimme sein für meine Eltern und meine Familie, die nicht mehr hier sein können." Während der Zeit in Auschwitz habe sie nichts über die Gaskammern und Krematorien gewusst, sagte sie im Lüneburger Prozess. "Ich weiß nicht, wie ich so naiv sein konnte." Sie verspüre keine Rachegefühle, doch sie könne auch nicht vergeben - "niemals". Ein einfaches "Es tut mir leid" habe ihr bei Oskar Gröning gefehlt. Auch die Strafe im Prozess gegen Reinhold Hanning ist für Hedy Bohm zweitrangig, dass der Prozess überhaupt stattfindet, ist aus ihrer Sicht das Entscheidende: Gerechtigkeit gebe es nur dann, wenn nicht nur Zahlen ermordeter Opfer im Prozess genannt, sondern Eltern und Geschwistern eine Stimme gewährt und ihr Abbild lebendig wird.


Eine gemeinsame Veranstaltung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Lippe e.V. und der Initiative "Gegen das Vergessen".


Die weiteren Veranstaltungen der Initiative "Gegen das Vergessen":


10.04.2016: Lage: Führung über den jüdischen Friedhof in Lage mit Margarete Wißmann

24.04.2016: Detmold: "Auf jüdischen Spuren durch Detmold" mit Gudrun Mitschke-Buchholz

20.05.2016: Lage: Vortrag von Dr. Karsten Wilke: Traditionspflege der Waffen-SS in der Bundesrepublik

21.05.2015: Büren: Gruppen-Führung durch die Dauerausstellung "Ideologie und Terror der SS"

22.05.2016: Lage: Film: "Der Staat gegen Fritz Bauer" mit Einführung und anschließender Diskussion


Informationen zum Prozess gegen Reinhold Hanning:


www.facebook.com/Gegen-das-Vergessen-in-OWL-971461409602100/

www.gegendasvergessen.blogsport.de

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