29.11.2016 jungewelt.de
»Spät, aber nicht zu spät«: Schuldspruch gegen früheren SS-Mann rechtskräftig

Im Fall des früheren SS-Manns Oskar Gröning hat der Bundesgerichtshof (BGH) erstmals eine Verurteilung wegen Beihilfe zum massenhaften Mord im Vernichtungslager Auschwitz höchstrichterlich bestätigt. Der Schuldspruch gegen den 95jährigen sei rechtskräftig, sagte Grönings Verteidiger Hans Holtermann am Montag in Karlsruhe.

Gröning war im Juli 2015 in einem der letzten Auschwitz-Prozesse vom Landgericht Lüneburg zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte eingeräumt, das Geld der verschleppten Juden verwaltet und die Ankunft der Transporte mit beaufsichtigt zu haben. Das Gericht wertete das als Beitrag zum Funktionieren der Tötungsmaschinerie. Damit wurde Gröning sieben Jahrzehnte nach dem Holocaust wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen verurteilt. Revision dagegen eingelegt hatten Gröning selbst sowie mehrere Nebenkläger.

Mit dem Karlsruher Beschluss ist dieses Urteil laut Holtermann rechtskräftig. Damit wäre der Weg frei, um weiteren Handlangern des Naziregimes den Prozess zu machen. Ob Gröning ins Gefängnis muss, hängt von seiner Gesundheit ab. Jahrzehntelang wurden am Holocaust Beteiligte nicht zur Verantwortung gezogen, weil sie zwar Rad im Getriebe waren, aber nicht selbst getötet hatten. Eine Wende leitete erst das Münchner Urteil gegen den früheren Sobibor-Aufseher John Demjanjuk 2011 ein.

Mehrere Dutzend Nebenkläger haben die Bestätigung des Schuldspruchs begrüßt. Es handele sich um eine »wichtige Korrektur der früheren Rechtsprechung«. Die drei Nebenklägervertreter Thomas Walther, Cornelius Nestler und Manuel Mayer erklärten am Montag: »Spät, aber nicht zu spät« habe sich die Auffassung durchgesetzt: »Auschwitz war ein Ort, an dem man nicht mitmachen durfte.« Damit werde nun endlich anerkannt, dass auch die »funktionelle Beihilfe« von SS-Leuten im Lager, etwa durch Wachdienst bei der Ankunft der Transporte, Beihilfe zum Massenmord sei. Efraim Zuroff, Leiter des Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, forderte Deutschland am Montag dazu auf, weiter Naziverbrecher zur Rechenschaft zu ziehen.

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