Mindener Tageblatt , 23.01.2017 hiergeblieben.de
Erinnern und wachsam sein
Von Stefan Lyrath

Porta Westfalica (Ly). Als Stefanie Wattenberg 2014 am städtischen Gymnasium anfing, wusste kaum ein Schüler, dass es in Porta Westfalica während der Nazi-Zeit drei Konzentrationslager mit insgesamt mehr als 3.000 Häftlingen gab. Von der Deportation der Portaner Juden hatten die meisten ebenfalls noch nichts gehört. "Das muss man ändern", beschlossen Stefanie Wattenberg, stellvertretende Fachvorsitzende Geschichte, und ihre Kollegen. Es hat sich geändert. Schüler veröffentlichen Projektarbeiten zum Thema, darunter eine 60 Seiten starke Dokumentation über die KZ, unternehmen Studienfahrten oder gestalten Gedenkstunden mit.

Jetzt hat das Gymnasium die Patenschaft für acht Stolpersteine in Hausberge übernommen. Dabei kooperiert die Schule mit dem Verein KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica, speziell dessen Arbeitsgemeinschaft "Jüdischen Leben an der Porta Westfalica". Beide Seiten haben einen entsprechenden Vertrag unterzeichnet.

"Damit bekräftigen wir unsere Zusammenarbeit und den Willen, uns der Geschichte der verfolgten, enteigneten und ermordeten Menschen zu stellen", sagte Bürgermeister Bernd Hedtmann, der zugleich Vorsitzender des Vereins ist. Gemeinsam wollen die Partner "gegen das Vergessen von menschenverachtendem Handeln während der Zeit des Nationalsozialismus und für eine Gesellschaft ohne Rassismus" einstehen.

"In Europa sind rechte Populisten auf dem Vormarsch."

Laut Vertrag übernimmt jeweils der neunte Jahrgang die Pflege der acht Stolpersteine, die bei jährlichen Gedenkveranstaltungen gereinigt werden sollen. Außerdem wird das Thema in den Geschichtsunterricht der neunten Klassen eingebracht. Der Gedenkstättenverein liefert Informationen und beteiligt die Schüler an seinen Recherchen.

Im September 2015 waren die Stolpersteine am Kirchsiek 23 sowie an der Stelle, wo früher das Haus Hauptstraße 51 gestanden hat, verlegt worden. Bereits an diesem Festakt hatten sich Gymnasiasten mit eigenen Beiträgen beteiligt - ebenso wie Real- und Gesamtschüler. Bisher 17 Steine erinnern in Hausberge an das Schicksal jüdischer Opfer des Nationalsozialismus, in diesem Fall die Familien Spangenthal und Maier.

Für die Gymnasiasten hat Lucy Ottensmeyer (17) von der Schülervertretung den Patenschaftsvertrag unterzeichnet. Schüler wie sie engagieren sich, um die Erinnerung wach zu halten. Grund zur Wachsamkeit gibt aus Sicht Lucys aber auch die jüngste politische Entwicklung, etwa die Rede des Thüringer AfD-Fraktionschefs Björn Höcke, in der dieser das Berliner Holocaust-Mahnmal als "Denkmal der Schande" bezeichnet hat.

"In Europa sind rechte Populisten auf dem Vormarsch", stellt Lucy fest und meint zum Beispiel Geert Wilders (Niederlande), Marine le Pen (Frankreich) oder den ungarischen Präsidenten Victor Orban. "Junge Menschen möchten sich dafür einsetzen, dass unser Deutschland weltoffen bleibt", spricht die 17-Jährige auch für ihre Mitschüler.

Die Arbeit des 2009 gegründeten Gedenkstättenvereins stößt nicht bei allen Portanern auf Begeisterung. "Warum macht ihr das eigentlich? Lasst die Geschichte ruhen." Solche Sätze kennt Bernd Hedtmann. "Ich habe dazu eine klare Meinung", sagt er: "Nur wer eine Erinnerungskultur pflegt, ist auch in der Lage, Bestrebungen von rechts entgegenzutreten."

Dominique Schröder, ehrenamtliche Vorsitzende der AG "Jüdisches Leben", ist selbst Lehrerin, allerdings in Minden. Sie wünscht sich, dass in Zukunft nicht nur die KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen (bei Celle), sondern auch Porta Westfalica ein geeignetes Ziel für Fahrten mit Neuntklässlern sein kann. Vor allem hofft Schröder, dass der Jakobsstollen, wo KZ-Häftlinge Zwangsarbeit verrichten mussten, künftig zu festen Zeiten regelmäßig geöffnet wird, vergleichbar mit einem Museum.

Bildunterschrift: Dominique Schröder von der AG "Jüdisches Leben", Fachvorsitzende Geschichte Katharina Schenk, Schülerin Lucy Ottensmeyer, Schulleiterin Susanne Burmester und Bürgermeister Bernd Hedtmann (v. l.) bei der Unterzeichnung des Patenschaftsvertrages über acht Stolpersteine.

Bildunterschrift: Mehrere Stolpersteine, um die sich künftig Gymnasiasten kümmern, erinnern an das Schicksal der jüdischen Familie Maier.

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