02.02.18 11:18 hna.de
Massaker mit 33.771 Toten im Zweiten Weltkrieg: 96-Jähriger Melsunger soll vor Gericht

Melsungen. Einem 96-jährigen Melsunger, der an einem der größten Massaker im Zweiten Weltkrieg beteiligt gewesen sein soll, könnte jetzt noch der Prozess gemacht werden.

Herbert W. wird vorgeworfen, als Mitglied der Einsatzgruppe C der SS, Ende September 1941 an der Erschießung von 33.771 Kindern, Frauen und Männern in der heutigen Ukraine beteiligt gewesen zu sein.

Er habe niemanden getötet, sagt der Melsunger gegenüber der HNA. Er sei zwar bei der Waffen SS und Mitglied in der Einsatzgruppe C gewesen, aber nur beim Sanitätsdienst. In der Schlucht Babi Jar bei Kiew töteten Nazis im Zweiten Weltkrieg von 1941 bis 1943 mehr als 200.000 Menschen.

Recherchen des ARD-Magazins „Kontraste“ zeigten: Das jüdische Simon-Wiesenthal-Zentrum mit Sitz in Los Angeles hatte deutschen Behörden bereits 2014 eine Liste mit Beteiligten am Babi Jar-Massaker übergeben. Auf der Liste steht auch der Name von Herbert W.

Keine Schauprozesse

Das bestätigt Jens Rommel. Der 45-jährige Leitende Oberstaatsanwalt ist Chef der Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg. Dort werden Vorermittlungen zu nationalsozialistischen Verbrechen vorgenommen. „Wir geben die Ermittlungen ab, wenn ein Verdacht belegt werden kann und eine verfolgbare Person ermittelt wurde“, sagt Rommel. Die Ermittlungen im Fall Herbert W. liefen noch, stünden aber kurz vor dem Abschluss, sagt Rommel weiter. Am Ende der Ermittlungen könnte der Vorgang also an die Kasseler Staatsanwaltschaft abgegeben werden.

Die Staatsanwaltschaft müsse dann klären, ob weitere Ermittlungen notwendig seien. „Wir wollen keine Schauprozesse – jemand muss geistig und körperlich in der Lage sein, sich gegen die Vorwürfe wehren zu können“, sagt Rommel.

Das größte Massaker der NS-Zeit

Zu den grausamsten Massenverbrechen des NS-Regimes während des Zweiten Weltkriegs zählt das Massaker von Babi Jar bei Kiew in der heutigen Ukraine am 29. und 30. September 1941. 

Zehn Tage nach der Einnahme Kiews erschossen laut historischer Quellen Angehörige des Sonderkommandos 4a der SS-Einsatzgruppe C in einer Schlucht im Nordwesten der Stadt binnen zwei Tagen mehr als 33.700 jüdische Männer, Frauen und Kinder. Es war das größte derartige Massaker. 

Sprengstoffanschlag als Vorwand

Als Vorwand für die Mordaktion dienten Sprengstoffanschläge der Roten Armee im Kiewer Stadtzentrum wenige Tage zuvor. Bei den Explosionen wurden mehrere Gebäude der Besatzungsverwaltung zerstört, zahlreiche Wehrmachtsangehörige kamen dabei ums Leben. Bei einer Besprechung am 26. September verständigten sich ranghohe Vertreter von Wehrmacht, SS und Polizei auf die als „Vergeltung“ getarnte Massenexekution. 

Beteiligt an der Aktion waren: Angehörige des SD und des Sonderkommandos 4a (befehligt von SS-Standartenführer Paul Blobel) der SS-Einsatzgruppe C. Diese stand unter dem Kommando von SS-Brigadeführer Otto Rasch. Die Einsatzgruppe war für die Exekutivmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung zuständig. Außerdem beteiligt: Kommandos des Polizeiregiments der Ordnungspolizei, Angehörige der Geheimen Feldpolizei, ukrainische Miliz sowie die Wehrmacht. Blobel wurde 1951 hingerichtet.

Herbert W. war damals 19 Jahre alt

Herbert W. ist 96 Jahre alt. Der Witwer lebt in Melsungen und hat einen Sohn. Seine Frau starb im Jahr 2012. In der HNA-Berichterstattung wird er wiederholt für seine Sportbegeisterung erwähnt. Er ist Mitglied in der Melsunger Turngemeinde und legte bis ins hohe Alter von 95 Jahren regelmäßig das Deutsche Sportabzeichen ab. Dabei war er wiederholt der älteste Teilnehmer. 

Im Jahr 1941, zum Zeitpunkt des Massakers, ist Herbert W. 19 Jahre alt. Das Massaker fand statt am 29. und 30. September. Seinen 20. Geburtstag beging Herbert W. am 10. Dezember. Erst im Juli des Jahres 1941 war Herbert W. nach Aufzeichnungen der SS Mitglied im Sonderkommando 4a der SS-Einsatzgruppe C geworden. Nach eigener Aussage sei er im Sanitätsdienst tätig und nicht an Waffenhandlungen beteiligt gewesen. 

Mordkommandos machten Jagd auf Juden

Efraim Zuroff vom jüdischen Simon-Wiesenthal-Zentrum erklärt, die Einsatzgruppen seien mobile Mordkommandos der SS gewesen, die im Hinterland der Front Jagd auf Juden machten. Diese Männer waren häufig Polizisten, die in Reservepolizeibataillonen dienten. Die Einsatzgruppen ermordeten im Zweiten Weltkrieg zwischen 1,3 und 1,4 Millionen Menschen.

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