19.10.2013 jungewelt.de
Kein Gedenkort für Kriegsverbrecher
Debatte um Begräbnisstätte für SS-Führer Priebke geht weiter. Antifaschisten verhinderten Trauerfeier
Von Gerhard Feldbauer

Nach wie vor ist unklar, wer den vergangene Woche verstorbenen SS-Kriegsverbrecher Erich Priebke bestatten wird. Eine Beisetzung in Rom, wo Priebke seine lebenslange Haftstrafe unter Hausarrest verbrachte, hat das dortige Polizeipräsidium untersagt. Auch das Vikariat in Rom lehnte ein kirchliches Begräbnis ab. Mehrere Staaten, darunter Argentinien, wohin der Kriegsverbrecher nach Kriegsende geflohen war, verweigern ebenfalls eine Bestattung, wie auch sein brandenburgischer Geburtsort Hennigsdorf. Die italienische Zeitung La Repubblica zitierte den Direktor des Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, Efraim Zuroff, der forderte, die Asche Priebkes im Mittelmeer zu verstreuen. Der Leiter der jüdischen Gemeinde in Rom, Fabio Perugio, erklärte, auch im Namen der Verwandten der Opfer, in »Italien, das so schwer unter dem Nazismus und Faschismus gelitten habe« dürfe »keine Spur Priebkes übrigbleiben«. Antifaschisten wollen eine neue Wallfahrtstätte für den deutschen Kriegsverbrecher verhindern, wie sie schon für Mussolini in dessen Geburtsort Predapio existiert, wo jährlich Zehntausende Faschisten die Verbrechen des »Duce« verherrlichen.

Am Dienstag mußte die klerikalfaschistische Piusbruderschaft eine Messe für Priebke in der Kapelle ihres Sitzes in Albano Laziale bei Rom abbrechen. Mit Transparenten und Sprechchören wie »Henker« und »Mörder« protestierte eine unübersehbare Menschenmenge gegen die Trauerfeier. Zu den Protesten hatten Antifaschisten, darunter der Partisanenverband ANPI, Kommunisten und Mitglieder der regierenden Demokratischen Partei (PD) aufgerufen. Die Polizei schritt ein, als die Demonstranten den von sechs Polizeifahrzeugen eskortierten Leichenwagen am Weiterfahren hinderten. Bürgermeister Nicola Marini (PD) hatte die Trauerfeier untersagt, sie war jedoch vom Präfekten von Rom genehmigt worden. Marini verwies auf die Tradition des antifaschistischen Widerstandes der Stadt und sagte, die Einwohner seien »fassungslos, daß eine solche Provokation gestattet« wurde. Priebke war an der Ermordung von 335 Geiseln im März 1944 in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom und an der Deportation Tausender Juden in die Konzentrationslager vor 70 Jahren beteiligt gewesen. Das Massaker leitete der SS-Polizeichef von Rom, Herbert Kappler, der, wie Priebke zu lebenslanger Haft verurteilt, 1977 mit Hilfe westdeutscher Neonazis und Geheimdienste in die Bundesrepublik fliehen konnte.

An der Trauerfeier nahmen zahlreiche Faschisten teil, die den SS-Sturmbannführer als »Helden« feierten. Maurizio Boccaccio, Organisator des Verbandes »Skinheads Italiens«, verkündete, »gegen Kommunisten, Ausländer, Schwule und Juden« zu kämpfen. Pius-Priester Floriano Abrahamowicz feierte den »Henker von Rom«, wie Radio Vatikan berichtete, als »treuen Soldaten« und »Freund«. Eine private Trauerfeier wurde nach den Tumulten abgesagt.

Die von Bischof Marcel Lefebrve 1970 gegründete klerikalfaschistische Bruderschaft bildet mit ihrem Haß auf Juden, Muslime, Homosexuelle und ihrer Leugnung des Holocaust eine Hochburg des rechtsextremen Katholizismus. Sie zählt weltweit etwa 500000 Anhänger, unterhält sechs internationale Priesterseminare, 159 Priorate, 725 Messezentren sowie 90 Schulen und Universitäten und hat in 30 Ländern feste Niederlassungen. Schon in der Vergangenheit demonstrierten die Piusbrüder ihre Verbundenheit mit Faschisten weltweit, hielten etwa Gottesdienste für die Neonazis der Front National in Frankreich und andere frühere faschistische Exponenten ab, wie etwa den Generalkommissar der französischen Petain-Regierung Robert Brasillach, der 1945 zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Mit Erwartung wird deshalb in Rom verfolgt, ob und wenn ja wie Papst Franziskus sich zum üblen Erbe, das ihm sein deutscher Vorgänger Benedikt XVI. hinterlassen hat, äußern wird. Der für seine Faschistenfreundlichkeit bekannte deutsche Papst hatte exkommunizierte Bischöfe der Bruderschaft 2009 rehabilitiert.

Der Aufenthaltsort von Priebkes Leichnam ist derzeit unklar. Spiegel Online meldete am Donnerstag, daß laut dem Anwalt der Familienangehörigen Sarg und Leiche seit Dienstag verschwunden seien. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete dagegen, die sterblichen Überreste Priebkes hätten sich auch Donnerstag morgen noch auf einem Militärflughafen bei Rom befunden, anderen italienischen Me­dien zufolge wurden sie Mittwoch abend abgeholt

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