Mit
dem "Unternehmen letzte Chance" versucht das Simon-Wiesenthal-Zentrum
seit einigen Monaten, jene mittlerweile hochbetagten Kriegsverbrecher,
die im Zweiten Weltkrieg aktiv an der Judenvernichtung beteiligt
waren und bislang ungestraft geblieben sind, vor Gericht
zu bringen. Ihren Anfang nahm diese Aktion im Baltikum. Dort
hatten sich während der Jahre 1941 bis 1944 Sympathisanten
der Nationalsozialisten bei der Tötung von Juden hilfswillig
gezeigt ein düsteres Geschichtskapitel, mit dem sich
Regierungen wie Bevölkerungen dieser Lander bis heute
schwertun. Wo das Gewissen nur schwer zu mobilisieren ist,
so zumindest scheint man in Jerusalem gedacht zu haben, da
helfen nur noch materieife Vorteile als Anreiz zur "moralisch
korrekten" Denunziation. Inspiriert durch das amerikanische
Vorgehen im Irak und den Erfolg, den die auf die Elite der
Baath-Partei ausgesetzten Kopfgelder zeitigten, gelang es
Efraim Zuroff. Leiter dar Jerusalemer Wiesenthal-Filiale,
einen amerikanisch-jüdischen Sponsor für eine Anzeigenkampagne
in der litauischen, lettischen und estnischen Presse zu gewinnen.
In diesen Inseraten, die auch Fotos von Pogromen gegen Juden
zeigten, wurde für Hinweise, die zur Ergreifung ehemaliger
Täter fuhren, eine Belohnung von zehntausend Dollar
ausgeschrieben - für baltische Verhaltnisse ein Vermögen.
Auch in der Lokalpresse warb man für das Unternehmen
mit dem Slogan: "Es geht um Ihre ehemaligen jüdischen
Nachbarn, die in dieser Gegend ermordet worden sind." Allerdings
verlief die Kampagne nicht immer ganz reibungslos. Manch
ein Verlagshaus zögerte mit der Veröffentlichung
der Annoncen, nachdem hier und da der Vorwurf der Volksverhetzung
laut geworden war. In Estland etwa mußte das Wiesenthal-Zentrum
die Anzeigentexte von einem einheimischen Historiker- Team
prüfen und absegnen lassen. Binnen kurzer Zeit kamen
auf diesem Weg Ober zweihundertvierzig Namen zusammen, die
meisten der Genannten kommen aus Litauen, aber auch aus Lettland
und Estland. Die Liste enthält zudem bislang unbekannte
ukrainische Täter, die sich ebenfalls an den Todeskommandos
beteiligt hatten. Zuroff zufolge verzichteten manche Informanten
auf die Belohnung. In Litauen hat man einige Gerichtsverfahren
eingeleitet, die auf den Hinweisen basieren. Und im Wiesenthal-Zentrum
fühlt man sich durch die neue Politik der Nazi-Jagd
bestätigt. Die nächste Phase des "Unternehmens
letzte Chance" wird jetzt in Angriff genommen. Im Baltikum
will Zuroff das "Kopfgeld" durch Zusatzzahlungen
für solche Hinweise erhöhen, die zu einem Prozeß und
einer Verurteilung führen: Die Summen bewegen sich hier
zwischen tausend und über siebentausend Dollar. Nun
soll die Kampagne nicht mehr auf das Baltikum beschrankt
bleiben. Auch in Österreich, Polen und Rumänien
soll mit Hilfe der Aussetzung eines "Kopfgeldes" die
Verfolgung der einsögen Kriegsverbrecher beschleunigt
werden, Deutschland ist ebenfalls im Visier; Wie Zuroff im
Gespräch mit dieser Zeitung erklärte, beabsichtigt
sein Institut, in etwa drei Monaten derartige Anzeigen auch
in der deutschen Presse zu schalten. Die Rede ist hier von
Berliner und Frankfurter Zeitungen.
JOSEPH CROITORU
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