Das
Simon-Wiesenthal-Center (SWC) will 60 Jahre nach Ende des
NS-Regimes die letzten noch lebenden Naziverbrecher in Deutschland
aufspüren und vor Gericht bringen. Dabei soll auch die
Bevölkerung helfen.
HB BERLIN. Der Chef-Nazijäger des Centers, Efraim Zuroff,
startete am Mittwoch in Berlin die „Operation letzte
Chance“, die seit Juli 2002 bereits in mehreren europäischen
Staaten läuft. Dort gab es 324 Hinweise, von denen 79
an Staatsanwaltschaften übergeben wurden. Für Hinweise,
die zur Verurteilung eines Täters führen, wird
eine Belohnung von 10 000 € ausgesetzt.
In Deutschland wurden bereits vor dem offiziellen Start
der Aktion (www.operationlastchance.com) fünf Meldungen
eingereicht. Namen wollte Zuroff noch nicht nennen, weil
die Fakten erst sorgfältig überprüft werden
müssten. Der Leiter des Jerusalemer SWC-Büros geht
von mehreren tausend Verdächtigen in Deutschland aus.
Viele der Täter hätten sich nach dem Zusammenbruch
des dritten Reichs mit dem Hinweis reinzuwaschen versucht,
sie hätten lediglich Befehle ausgeführt.
Ganz oben auf der Liste der gesuchten Personen steht der
seit 1962 untergetauchte KZ-Arzt Aribert Heim (90). Der gebürtige Österreicher
war Lagerarzt in Sachsenhausen, Buchenwald und Mauthausen,
später Frauenarzt in Baden-Baden. Dass er noch lebt,
schließt das SWC daraus, dass sein Vermögen von
einer Million Euro nach wie vor bei einer Berliner Bank liege.
Auf Heims Ergreifung wurden von deutschen Stellen schon 130
000 € Belohnung ausgesetzt. Auf diesen und andere Fälle
soll in Anzeigen aufmerksam gemacht werden.
Der Mitbegründer des Programms und Sohn von vor den
Nazis geflohener Juden, Aryeh Rubin aus Miami, stellte die
Aktion in einen Zusammenhang mit der Bekämpfung neu
entstehenden Antisemitismus. „Die Dämonen könnten
zurückkommen und uns alle verschlingen“, sagte
er. Der SPD-Außenpolitiker Gerd Weisskirchen, sagte: „Ich
hoffe, dass diese letzte Chance von der Bevölkerung
verstanden wird.“ Die noch lebenden Opfer müssten
wissen, dass in Deutschland „Gerechtigkeit nicht nur
auf dem Papier steht“.
Zuroff hob hervor, dass offizielle Stellen in Deutschland
kooperativer bei der juristischen Verfolgung von Nazi-Tätern
als einige ehemals kommunistische Staaten und Österreich.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 26. Januar 2005
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