Unter
den vielen internationalen Gästen, die sich zum 60-jährigen
Gedenktag an die Befreiung von Auschwitz in Berlin einfanden,
gehört auch Efraim Zuroff. Der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums
in Jerusalem stellte im Reichstagsgebäude seine Aktion
Operation "Last Chance" vor - einen Tag vor dem
offiziellen Gedenktag. Zuroffs Überlegung: "In
der Berichterstattung wären wir sonst untergegangen."
Und das ist das Letzte, was der 56-jährige stämmige
Mann will. Schließlich sollen die Hinweise aus der
Bevölkerung, um die das Center bittet, mit 10.000 Euro
belohnt werden - so sie zur Verurteilung von Nazi-Mördern
führen. Das finden viele moralisch unsauber. Für
Zuroff ist das kein geltender Einwand: "Wenn ich nur
eine Pressemitteilung rausgegeben hätte, wäre doch
kein Journalist gekommen."
Über mangelnde Aufmerksamkeit konnte sich Zuroff nie
beklagen. Seit 18 Jahren forscht er für das Wiesenthal-Zentrum
in alten Verzeichnissen, Archiven und Ermittlungsakten nach
noch nicht verurteilten Nazi-Tätern. Und erntete dabei
viel Widerstand. Nazi-Jäger wurde er genannt, "Nervensäge",
aber auch schon "zionistischer Agent".
Das mag an seiner rastlosen und dominanten Art liegen. Kaum
jemand kann in seiner Gegenwart einen Satz zu Ende sprechen,
nach kurzem unterbricht er und blafft dem Zuhörer ein
englisches "Listen!" entgegen, Hören Sie mal!
Insbesondere Bedenken gegenüber seiner Aktion, etwa
wegen des Greisenalters der Täter, wehrt er ab: "Das
ist irrelevant. So lange sie gesund sind, gehören sie
vor Gericht."
Zunächst schien Zuroff nicht unbedingt prädestiniert
für das Amt des Nazi-Verfolgers. Geboren 1948 in Manhattan,
wuchs er in einer großen jüdischen Familie in
New York auf. Mit 23 zog er nach Israel, promovierte in jüdischer
Geschichte und arbeitete für das amerikanische Office
of Special Investigation, das Nazi-Verbrecher aufspürt.
Im Laufe seiner Arbeit konnte Zuroff schon so manchen Erfolg
verbuchen. So bewirkte er, dass der damalige österreichische
Präsident Kurt Waldheim wegen seiner NS-Vergangenheit
nicht mehr in die USA einreisen durfte, und fand heraus,
dass der SS-Arzt von Auschwitz, Josef Mengele, in Brasilien
gestorben war.
Die Aktion Operation "Last Chance" hingegen, die
er 2001 in den baltischen Staaten, dann in Österreich
anlaufen ließ, hat noch keinen durchschlagenden Erfolg
gezeitigt. 329 Namen von Verdächtigen habe man bisher
ermittelt, 74 an die Behörden weitergeleitet, sagt der
ewige Jäger und bedauert: "Nicht alle Hinweise
sind seriös." Dies scheint auch für die aktuellen
Fälle aus Deutschland zuzutreffen, die Zuroff in Berlin
mit großem Aplomb vorstellte. Auf den KZ-Azt Aribert
Heim habe man Hinweise, man wisse sogar, wo er lebe. Wo dies
ist, will Zuroff aber ebenso wenig verraten wie den Namen
einer ehemaligen Aufseherin des KZ Majdanek, die nun in Wien
lebe. Das würde die Ermittlungen beeinträchtigen,
gibt sich Zuroff wortkarg - ausnahmsweise." JOHANNES
HONSELL
taz Nr. 7576 vom 28.1.2005, Seite 12, 98 TAZ-Bericht JOHANNES
HONSELL
http://www.taz.de/pt/2005/01/28/a0189.nf/text
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