15. September 2009 16:05 MESZ derstandard.at

Mutmaßlicher Nazi-Kriegsverbrecher Sandor Kepiro verhört
Jüdische Gemeinden hoffen auf gerechte Strafe - Kritik an Langsamkeit der ungarischen Behörden

Budapest - Die Budapester Staatsanwaltschaft hat den verdächtigten Nazi-Kriegsverbrecher Sandor Kepiro verhört. Es wäre "beispielgebend" wenn Sandor Kepiro wegen seiner Kriegsverbrechen verurteilt würde, erklärte Peter Feldmajer, Vorsitzender des Verbandes der Ungarischen Jüdischen Gemeinden (Mazsihisz), zitierte die Ungarische Nachrichtenagentur MTI am Dienstag. Seine Verurteilung könnte demonstrieren, dass all jene, die "heute solche Verbrechen begehen, auch nach 20 oder 70 Jahren noch belangt werden können".

Feldmajer kritisierte zugleich die ungarischen Behörden für den bisherigen "unbegründeten Verzug" und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass das Gericht die Schuld von Kepiro feststellen und eine Flucht des Verdächtigten ins Ausland verhindern werde.

Lebenslang möglich

Die Staatsanwaltschaft hatte Hausarrest für Kepiro gefordert, was jedoch vom Budapester Gericht abgelehnt wurde. Die Handlung des Verdächtigten wird nach dem Strafgesetzbuch als "Sonstige Kriegsverbrechen" qualifiziert, was mit einer lebenslangen Strafe sanktioniert werden könne. Laut dem Mazsihisz-Vorsitzenden Feldmajer könnte gegenwärtig die Zahl der aus Ungarn stammenden Kriegsverbrecher zwischen zehn und 20 liegen.

Auf der aktuellen Liste der zehn meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem steht Kepiro an zweiter Stelle. Der gebürtige Ungar (95) wird verdächtigt, im Jänner 1942 an der Ermordung von mehr als 1.200 Zivilisten im serbischen Novi Sad teilgenommen zu haben. Kepiro war 1946 in Abwesenheit von einem ungarischen Volksgerichtshof als Kriegsverbrecher zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der ehemalige Gendarm hatte sich bereits zuvor nach Argentinien abgesetzt.

1996 kehrte er nach Budapest zurück. Im Herbst 2006 hatte ihn das Wiesenthal-Zentrum dort aufgespürt. Kepiro selbst bestreitet jede Schuld. Ein Budapester Gericht befand 2007, dass das Urteil gegen Kepiro aus dem Jahr 1946 nicht angewandt werden könne. Obwohl Kriegsverbrechen nach ungarischem Recht nicht verjähren, leitete die Staatsanwaltschaft kein neues Verfahren ein.

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