18. Juli 2012, 11:53 Uhr spiegel.de
Polizei nimmt mutmaßlichen NS-Kriegsverbrecher Csatáry
fest

László Csatáry soll für die Deportation von bis zu 16.000 Juden verantwortlich sein, nach
dem Krieg tauchte er jahrzehntelang unter. Ein Reporter-Team entdeckte den 97-Jährigen in Budapest. Jetzt hat ihn die Polizei festgenommen.

Budapest - Der mutmaßliche Nazi-Kriegsverbrecher László Csatáry ist in Ungarn festgenommen worden. Er sei wegen des Vorwurfs der Kriegsverbrechen angeklagt worden, teilte die Staatsanwaltschaft Budapest mit. Erst am vergangenen Sonntag war bekannt geworden, dass er seit 17 Jahren unter seinem echten Namen in Budapest lebt.
Csatáry war während des Zweiten Weltkriegs Polizeichef im jüdischen Ghetto des damals ungarischen Kassa, heute Kosice in der Ostslowakei. Der heute 97-Jährige soll an der Deportation von 15.700 Juden in das Konzentrationslager Auschwitz mitgewirkt haben.

Außerdem, so der Vorwurf, habe er ein Arbeitslager mit unmenschlichen Bedingungen für die Inhaftierten geleitet. 1948 verurteilte ein Gericht in der Tschechoslowakei Csatáry in Abwesenheit zum Tode. Er steht auf der Liste der gesuchten Weltkriegsverbrecher des Simon-Wiesenthal-Zentrums ganz oben. Nach dem Krieg gelang Csatáry im Jahr 1949 die Flucht nach Kanada, wo er viele Jahre unter anderem in Montreal und Toronto als Kunsthändler arbeitete. Erst 1997 flog seine Tarnung auf - doch Csatáry entkam erneut.

Vor wenigen Tagen spürte ihn dann die britische Boulevard-Zeitung "The Sun" auf. Mitarbeiter fotografierten und filmten Csatáry in der ungarischen Hauptstadt Budapest. Mit den Vorwürfen konfrontiert, stritt der mutmaßliche Kriegsverbrecher die Anschuldigungen ab. Wie die Internetzeitung "index.hu" berichtet, wies Csatáry auch am Mittwoch alle Vorwürfe zurück. Er habe als Polizeichef während der Nazi-Zeit "nur Befehle erfüllt" und seine "Pflicht getan", sagte er demnach bei der Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft. Die Informationen über Csatáry wurden von Efraim Zuroff veröffentlicht, dem Direktor des Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem. Zuroff sagte, die "Sun" habe sich bei ihren Recherchen auf Informationen gestützt, die vom Wiesenthal-Zentrum im September 2011 herausgegeben wurden.

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