Die Organisatoren des SS-Marsches in Riga zerstören den Kranz
von Vertretern der jüdischen Gemeinde. Die Polizei schaut
zunächst tatenlos zu.
STOCKHOLM taz | „Im Gedenken an die Opfer des Nazismus.“ Diese Botschaft auf
der Schleife an einem Kranz mit roten Rosen war offensichtlich
unerträglich für die Organisatoren des Marschs der SS-Veteranen
Ende vergangener Woche in Lettlands Hauptstadt Riga. Der
Kranz wurde vandalisiert und versteckt, der Versuch ihn wieder
aufzustellen gewaltsam verhindert. Die Polizei sah zu.
Den Kranz hatten u.a. Vertreter der
jüdischen Gemeinde in Riga, die zur Fraktion der Europa-Grünen
gehörende lettische EU-Parlamentsabgeordnete Tatyana Zhdanok
und der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem,
Efraim Zuroff wenige Stunden vor dem SS-Marsch am Freiheitsdenkmal
in Riga niedergelegt. Im Rahmen einer – ebenso wie der SS-Marsch
selbst – gerichtlich genehmigten Demonstration.
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Kurze Zeit später war der Kranz teilweise
zerstört, die Kranzbinde abgerissen und zerknüllt und der
Kranz selbst hinter einem grossen Schild mit dem Wappen versteckt
worden, das die lettischen SS-Angehörigen an ihren Uniformen
trugen. Bemühungen von Zhdanok und Iosif Koren, dem Vorsitzenden
der Organisation „Lettland gegen Faschismus“, die Schleife
wieder notdürftig anzubringen und den Kranz herzurichten,
wurden von kräftigen jungen Männern, die laut lettischen
Medien zu den Organisatoren des SS-Marschs gehörten, handgreiflich
verhindert.
Die Polizei sah zunächst untätig zu
und half dann sogar noch, die protestierende Abgeordnete
und ihre Begleiter vom Ort des Geschehens wegzudrängen. Die
Marsch-Organisatoren platzierten daraufhin das Wappenschild
wieder vor dem Kranz und zerknüllten die Binde. Die ganze
Szene, die Joel Rubinfeld, Präsident des „Europäischen Jüdischen
Parlaments“ mit „es ist unglaublich, dass so etwas heute
noch in einer europäischen Hauptstadt passieren kann“, kommentierte,
kann auf einem Video verfolgt werden, das die russischsprachige
lettische Zeitung „Chas“ am Montag auf ihrer Internetseite
veröffentlichte:
Der Vorgang wirft nicht nur ein deutliches
Schlaglicht auf die Gesinnung der Organisatoren des SS-Marsches,
sondern bringt auch die lettische Regierung ins Zwielicht.
Die hat diese Veranstaltung bislang gegen alle internationale
Kritik verteidigt und als bloßes Totengedenken alter SS-Veteranen
verharmlost. Die Rechtsaussenpartei „Nationale Allianz“,
die zu den aktiven Unterstützer des SS-Marsches gehört und
deren Abgeordnete auch in diesem Jahr wieder nahezu vollständig
daran teilnahmen, ist Regierungspartei und stellt in Riga
den Justizminister und die Kultusministerin.
Kie „Nationale Allianz“ hat nun vorgeschlagen, die Veteranen mit einem speziellen
„Freiheitskämpfer-Gesetz“ zu ehren. Die Koalition will darüber
laut Nachrichtenagentur LETA „in naher Zukunft“ beraten.
Das Gesetz solle „geschichtliche Gerechtigkeit wiederherstellen“
und den SS-Veteranen sowie Ex-Angehörigen anderer militärischer
Einheiten, die gegen die Rote Armee gekämpft hatten, sowohl
finanzielle wie moralische Kompensation für ihren Kampf gegen
und ihre Diskriminierung durch die sowjetische Besatzungsmacht
geben, erklärt die Partei auf ihrer Internetseite. Letten,
die auf Seiten der Roten Armee gegen Nazideutschland gekämpft
haben, sollen von dieser Ehrung ausgeschlossen sein.
taz.de
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