16.03.2012 focus.de
SS-Veteranen marschieren durch Riga

Freiheitskämpfer oder Nazi-Schergen? Der Gedenkmarsch der SS-Veteranen sorgt im EU-Land Lettland alljährlich für böses Blut. Die auch gegen Moskau gerichtete Veranstaltung verliert allerdings an Rückhalt.

Mit einem umstrittenen Gedenkmarsch haben lettische Veteranen der deutschen Waffen-SS in Riga ihrer im Zweiten Weltkrieg getöteten Kameraden gedacht. Nach einem Gottesdienst im Rigaer Dom zogen am Freitag rund 1500 Kriegsteilnehmer und Sympathisanten von einem massiven Polizeiaufgebot geschützt durch die Innenstadt. Nach Angaben der Polizei wurden drei Teilnehmer wegen aggressiven Verhaltens und dem Tragen verbotener Symbole festgenommen.

Die Kundgebung wird international als Verherrlichung des Nationalsozialismus kritisiert. Das russische Außenministerium wertete den Marsch als „offensichtlichen Versuch, die Wahrheit über die Gräuel der Nazis“ zu verschleiern. Die Veteranen sehen darin hingegen vor allem einen Protest gegen die sowjetische Okkupation. Ein Gericht hatte den Marsch am Donnerstag genehmigt.

Gegendemonstranten in Lager-Kleidung
Einige Dutzend Gegendemonstranten protestierten in schwarz-weiß gestreiften Sachen, die der Bekleidung von KZ-Häftlingen nachempfunden war. Auch der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, Efraim Zuroff, beteiligte sich am Protest gegen die Veranstaltung, mit der in dem baltischen EU-Mitgliedsland jeweils am 16. März der „Tag der Legionäre“ begangen wird. Größere Zwischenfälle gab es nach Polizeiangaben nicht.

Gegen die seit 1990 jährlich begangene Gedenkveranstaltung gibt es international regelmäßig Proteste. Wie in den Vorjahren genehmigte ein Gericht den Marsch erst am Vorabend, nachdem ihn die Stadtverwaltung zunächst aus Gefahr für die öffentliche Sicherheit verboten hatte.

Märsche sollen an Opfer des Krieges erinnern
Die Aktion soll an die etwa 50 000 Letten erinnern, die im Zweiten Weltkrieg an der Seite Hitler-Deutschlands im Krieg gegen die Sowjetunion ums Leben gekommen sind. Die Sowjetunion hatte Lettland 1939 im Zuge des Hitler-Stalin-Pakts besetzt, mit dem Osteuropa zwischen Berlin und Moskau aufgeteilt wurde. Rund 15 000 Letten wurden nach Sibirien deportiert.

Nach dem Einmarsch der Wehrmacht ein Jahr später sahen viele Letten die Deutschen als Befreier. Rund 140 000 schlossen sich der Lettischen Legion an, einer Einheit der Waffen-SS. Die deutschen Besatzer ermordeten jedoch ihrerseits 70 000 der 85 000 Juden des Landes. Im Oktober 1944 eroberte die Rote Armee Riga zurück. Bis 1991 blieb Lettland Teil der Sowjetunion.
Auch unter Letten, die in den Veteranen oft Freiheitskämpfer sehen, ist die Kundgebung zunehmend umstritten. Einer aktuellen Umfrage zufolge lehnt knapp die Hälfte der Bevölkerung den Marsch ab.

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