Freiheitskämpfer oder Nazi-Schergen? Der Gedenkmarsch der
SS-Veteranen sorgt im EU-Land Lettland alljährlich für
böses Blut. Die auch gegen Moskau gerichtete Veranstaltung
verliert allerdings an Rückhalt.
Mit einem umstrittenen Gedenkmarsch haben lettische Veteranen der deutschen Waffen-SS
in Riga ihrer im Zweiten Weltkrieg getöteten Kameraden gedacht.
Nach einem Gottesdienst im Rigaer Dom zogen am Freitag rund
1500 Kriegsteilnehmer und Sympathisanten von einem massiven
Polizeiaufgebot geschützt durch die Innenstadt. Nach Angaben
der Polizei wurden drei Teilnehmer wegen aggressiven Verhaltens
und dem Tragen verbotener Symbole festgenommen.
Die Kundgebung wird international als Verherrlichung des Nationalsozialismus
kritisiert. Das russische Außenministerium wertete den Marsch
als „offensichtlichen Versuch, die Wahrheit über die Gräuel
der Nazis“ zu verschleiern. Die Veteranen sehen darin hingegen
vor allem einen Protest gegen die sowjetische Okkupation.
Ein Gericht hatte den Marsch am Donnerstag genehmigt.
Gegendemonstranten in Lager-Kleidung
Einige Dutzend Gegendemonstranten protestierten in schwarz-weiß
gestreiften Sachen, die der Bekleidung von KZ-Häftlingen
nachempfunden war. Auch der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums
in Jerusalem, Efraim Zuroff, beteiligte sich am Protest
gegen die Veranstaltung, mit der in dem baltischen EU-Mitgliedsland
jeweils am 16. März der „Tag der Legionäre“ begangen wird.
Größere Zwischenfälle gab es nach Polizeiangaben nicht.
Gegen die seit 1990 jährlich begangene
Gedenkveranstaltung gibt es international regelmäßig Proteste.
Wie in den Vorjahren genehmigte ein Gericht den Marsch erst
am Vorabend, nachdem ihn die Stadtverwaltung zunächst aus
Gefahr für die öffentliche Sicherheit verboten hatte.
Märsche sollen an Opfer des Krieges
erinnern
Die Aktion soll an die etwa 50 000 Letten erinnern, die im
Zweiten Weltkrieg an der Seite Hitler-Deutschlands im Krieg
gegen die Sowjetunion ums Leben gekommen sind. Die Sowjetunion
hatte Lettland 1939 im Zuge des Hitler-Stalin-Pakts besetzt,
mit dem Osteuropa zwischen Berlin und Moskau aufgeteilt wurde.
Rund 15 000 Letten wurden nach Sibirien deportiert.
Nach dem Einmarsch der Wehrmacht ein
Jahr später sahen viele Letten die Deutschen als Befreier.
Rund 140 000 schlossen sich der Lettischen Legion an, einer
Einheit der Waffen-SS. Die deutschen Besatzer ermordeten
jedoch ihrerseits 70 000 der 85 000 Juden des Landes. Im
Oktober 1944 eroberte die Rote Armee Riga zurück. Bis 1991
blieb Lettland Teil der Sowjetunion.
Auch unter Letten, die in den Veteranen oft Freiheitskämpfer
sehen, ist die Kundgebung zunehmend umstritten. Einer aktuellen
Umfrage zufolge lehnt knapp die Hälfte der Bevölkerung den
Marsch ab.
focus.de
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