Nazi-Jäger hofften auf Mordprozess
- KZ-Wärterin in Majdanek lebte bis zuletzt in Wien
Wien - Bis zu ihrem Tod hat die frühere KZ-Aufseherin Erna
Wallisch (86) die internationalen Behörden und Medien beschäftigt.
Vor allem jene, die sie noch einem weltlichen Gericht sehen
wollten, haben auf einen schnellen Prozess gedrängt. Für
eine Anklage wegen Mordes fehlten lange die Beweise, der
Vorwurf der Beihilfe war verjährt. Doch gerade in den letzten
Monaten schien sich das noch zu ändern. Wallisch soll als
Wachperson im Konzentrations- und Vernichtungslager im
Lubliner Stadtteil Majdanek (Südostpolen) in den Massenmord
an Tausenden
Menschen involviert gewesen sein.
Vor allem war es auch Wallisch, die Österreich international den Ruf als "Paradies für NS-Verbrecher" eingehandelt hat. Der Ausspruch stammt von Efraim Zuroff, Direktor des Simon
Wiesenthal Centers (SWC) Jerusalem, der in regelmäßigen Abständen
an heimische Politik und Öffentlichkeit appelliert hatte,
Wallisch den Prozess zu machen - zuletzt bei Justizministerin
Maria Berger. Gerade in ihrer Amtszeit verdichteten sich
die Anzeichen, es könnte doch noch zu einem Prozess kommen.
Zuletzt ließen Zuroff neu entdeckte Dokumente aus Polen hoffen,
es gebe doch noch Beweise.
Als Wärterin im Konzentrationslager
Majdanek habe sie Gefangene bloß beaufsichtigt, etwa als
diese in der Gärtnerei oder in der Schneiderei gearbeitet
haben, meinte Wallisch. Zur selben Zeit war jedoch das im
polnischen Lublin gelegene KZ Schauplatz eines Massenmordes.
1942 richtete man dort eine Vergasungsanlage ein. Ein Jahr
später erschossen die Nazis bei der "Aktion Erntedankfest" an einem einzigen Tag sämtliche 17.000 Insassen. Wallisch: "Ich war an Gewalttätigkeiten nicht beteiligt und habe so etwas auch nicht gesehen."
Die Causa Wallisch ist keine einfache:
In den 70ern ermittelte in der Causa die Justiz, das Verfahren
wurde aus Mangel an Beweisen niedergeschlagen. Das Delikt
Beihilfe zum Mord war verjährt. 2006 traf Zuroff Bergers
Vorgängerin Karin Gastinger und die damalige Innenministerin
Liese Prokop. "Die Zeit läuft aus", drängte der Nazi-Jäger damals, bei den Justiz-Behörden gebe es "keinen Sinn für Dringlichkeit". Darum hoffte Zuroff auch auf die Auslieferung an Polen, da dort das Gesetz
keine Verjährung für Kriegsverbrechen vorsieht.
Erst Ende Jänner wurden Dokumente
aus polnischen Archiven bekannt, die als Beweis in einem
österreichischen Mordprozess hätten dienen können. Sie wurden
bis zuletzt von heimischen Behörden geprüft.
Wallisch wurde am 10. Februar 1922
als Erna Pfannstiel in Benshausen in Thüringen (Deutschland)
geboren und lebte bis zu ihrem Tod in Wien Donaustadt. Die
Tochter eines Postbeamten war vom Oktober 1942 bis zum Jänner
1944 im Konzentrationslager im Lubliner Stadtteil Majdanek
beschäftigt. Kurz nach dem Kriegsende siedelte sie nach Wien
um, wo sie die österreichische Staatsbürgerschaft hatte.
Wallisch starb am 16. Februar bei einem Krankenhausaufenthalt.
derstandard.at
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