28. 01. 2008 PROFIL Online
  'profil' hat neues Material: Prozess gegen KZ-Wärterin Wallisch bald neu aufgerollt?
 
 


Augenzeugenberichte geben neue Aufschlüsse
NS-Verbrechen. Nach 35 Jahren wird das Verfahren gegen die frühere KZ-Wärterin Erna Wallisch wohl neu aufgerollt: Überlebende wollen deren Beteiligung an Massenmorden bezeugen.

Efraim Zuroff lächelt leise. „Manchmal zahlt es sich eben aus, hartnäckig zu sein.“ Vor 35 Jahren war das Verfahren gegen Erna Wallisch und andere Wärter des KZ Majdanek wegen mutmaßlichen Mordes aus Mangel an Beweisen abgebrochen worden. Zuroff, Direktor des Simon-Wiesenthal-Centers in Jerusalem, hatte nie an die Unschuld der Wahlwienerin – sie lebt im Bezirk Do­naustadt – geglaubt. Seit Jahren kämpft er für eine Wiederaufnahme ihres Falls. Bald könnte es so weit sein.

Das Justizministerium in Wien hat jetzt aus Polen neues Belastungsmaterial bekommen – aus einer Quelle, die Zuroff genannt hatte. Die Staatsanwaltschaft sichtet derzeit die Beweise und erwägt, den Fall neu aufzurollen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, wie profil-Recherchen ergaben: Neun Frauen, die das KZ überlebt hatten, haben gegen Erna Wallisch ausgesagt.

Das entsprechende Papier liegt profil vor.
S.50/05/Zn – hinter der Aktenzahl des polnischen Instituts für Nationales Gedenken (IPN) verbirgt sich die Geschichte jener, die zwischen 1941 und 1944 im Lager Majdanek nahe der Stadt Lublin eingesperrt waren. Zumindest jener, die das IPN aufgespürt hatte. Tatiany T., Zofii F., Jadwigi W., Zofii K. oder auch Anny K. Sie berichten von Gräueltaten gegen Frauen und Kinder, Tritten, Schlägen, Peitschenhieben, Züchtigungen, Massenmord. Und sie berichten von Erna Wallisch, die gemeinsam mit anderen Wärtern all dies vor ihren Augen getan haben soll.

Eigenhändig. Als das IPN im Mai vergangenen Jahres herausfand, dass Wallisch – für sie gilt die Unschuldsvermutung – in Österreich bisher nicht verurteilt worden war, entschlossen sich die Mitarbeiter, sich den Fall selbst näher anzusehen. Sie machten vier weitere Überlebende ausfindig: Danuta B., Ewa W., Janina W., Jadwiga L. Auch sie bezeugen, dass Wallisch während ihrer Zeit als KZ-Wärterin in Majdanek vom 7. Oktober 1942 bis 15. Jänner 1944 gemeinsam mit anderen Wärtern an der Ermordung vieler Häftlinge beteiligt gewesen sei. Eine Frau will gar gesehen haben, wie Wallisch eigenhändig einen Menschen erschlug.

Das könnten jene Beweise sein, die 1973 zu einer Verurteilung von Wallisch gefehlt haben. Die Beihilfe zum Mord, nach damals geltendem Strafrecht „entfernte Mitschuld am Mord“, war bereits verjährt. In Polen verjähren Kriegsverbrechen nicht. Auch das österreichische Majdanek-Verfahren kann ohne Weiteres wieder aufgenommen werden – es wurde 1973 lediglich abgebrochen, nicht eingestellt, wie es aus der Staatsanwaltschaft Wien heißt.

Beim Prozess in Graz hatte Wallisch 1972 angegeben, sie habe Befehl gehabt, in der Badebaracke Häftlingsfrauen zu „bewachen“; sie habe den vor Angst Schreienden lediglich „gut zugeredet und durch Handbewegungen für Ruhe gesorgt. Es waren alte und junge Frauen und auch Kinder, die ich gesehen habe, als sie in die Gaskammer geführt wurden.“

An all das will sich die 85-Jährige nicht mehr erinnern. Zur Aussage einer polnischen Zeugin, wonach sie an der Selektion von Häftlingen für die Gaskammer teilgenommen habe, meinte sie im September gegenüber profil: „Das ist ja gar nicht wahr.“ Um gleich danach zu erklären: „Ich weiß nichts mehr, und ich will auch gar nichts mehr wissen.“

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