29.01.08; 16:12 20min.ch
  Nazi-Sadistin kommt vor Gericht
 
 


Seit Jahren lebt sie unbehelligt in Wien Donaustadt, sogar ihr richtiger Name steht auf dem Türschild. Dabei steht die KZ-Aufseherin Erna Wallisch auf der Liste der gesuchten Nazis auf Platz vier. Jetzt wird ihr Fall neu aufgerollt.

Die heute 85-jährige Frau, Tochter eines Postbeamten aus Thüringen, war Aufseherin im Konzentrationslager Ravensbrück und vom Oktober 1942 bis zum Januar 1944 im Vernichtungslager Majdanek bei Lublin (Polen). Erna, geborene Pfannenstiel, begegnete dort Georg Wallisch, den sie im März 1944 heiratete.

«Schwangeres Nazi-Monster»

Überlebende beschrieben die Frau als Sadistin, die Opfer selektierte und sie bewachte, als sie zu den Gaskammern geführt wurden.

Die ehemalige Insassin Jadwiga Landowska erinnert sich, wie die damals schwangere Wallisch Leute totschlug. «Das schwangere Nazi-Monster-Weib, das verrückt wurde und uns angriff, war nicht unter denen, die nach dem Krieg vor Gericht standen», sagte sie laut der britischen Zeitung «Daily Mail».

«Die Schwangere schlug einen kleinen Jungen, der auf dem Boden lag, mit etwas, das härter war als eine Peitsche. Blut strömte aus seinem Kopf und er gab kein Lebenszeichen mehr von sich. Das schwitzende, atemlose Gesicht dieses Monsters ist etwas, das ich niemals vergessen werde», fuhr Landowska fort.

Nichts getan, nichts gesehen

Wallisch selber behauptete, sie habe «kaum Kontakt zu Häftlingen gehabt». Sie habe lediglich Gefangene beaufsichtigt, zum Beispiel in der Schneiderei und Gärtnerei. «Zu Weihnachten 1943 war ich dann auch schon weg», sagte Wallisch der österreichischen Zeitung «Der Standard» über ihren Einsatz in Majdanek.

Mit den Massenmorden habe sie nichts zu tun gehabt, sie habe «so etwas auch nicht gesehen». Dabei hatten die Nazis in Majdanek schon im Herbst 1942 eine Vergasungsanlage eingerichtet. Ein Jahr später wurden bei der «Aktion Erntefest» sämtliche 17 000 Häftlinge an einem einzigen Tag erschossen.

Verfahren eingestellt

Schon in den 70er-Jahren war ein Verfahren gegen Wallisch eingeleitet worden, doch die vorgelegten Beweise hätten, so berichtet Welt.de, nicht dafür ausgereicht, der Frau die direkte Beteiligung an einer Tötungshandlung nachzuweisen. Sämtliche anderen Delikte von Wallisch waren nach österreichischem Recht damals schon verjährt. Noch 2005 erklärte der Pressesprecher der Justizministerin Gastinger, für einen «direkten Mord» lägen nicht genügend Beweise vor.

«Paradies für NS-Verbrecher»

Nazi-Jäger Efraim Zuroff vom Simon-Wiesenthal-Center (SWC) in Jerusalem, das die KZ-Schergin auf dem vierten Rang der schlimmsten noch lebenden Nazis listet, kritisierte die österreichische Justiz heftig. «Gemäss dem Gesetz hier» sei ihre Rolle bei den Vergasungen damals als von «nicht entscheidender Bedeutung» eingestuft worden. Dabei habe Wallisch die mutmasslichen Verbrechen einmal selbst zugegeben. «Österreich ist ein Paradies für NS-Verbrecher», sagte Zuroff heute bei einer Pressekonferenz in Wien.

Neue Beweise

Die Wiener Staatsanwaltschaft hat nun neue Ermittlungen gegen Wallisch eingeleitet. Neues Beweismaterial sei von dem polnischen Institut für Nationales Gedenken (IPN) geliefert worden, berichtete der Radiosender Radio Wien am Freitag. Mit den Aussagen von fünf neuen Zeugen könnte der Fall neu aufgerollt werden.

Justizsprecher Gerhard Jarosch sagte, es sei «wieder einmal ein Kampf gegen die Zeit» - angesichts des Alters der Beschuldigten.

«Ich verstehe nicht, warum das jetzt wieder aufkommt», klagte Wallisch gegenüber dem «Standard».

Schon im Februar 2006 hatte Zuroff an die polnische Regierung appelliert, die Auslieferung von Wallisch zu betreiben, da das polnische Gesetz keine Verjährung für Kriegsverbrechen vorsieht.

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