Seit Jahren lebt sie unbehelligt in Wien Donaustadt, sogar
ihr richtiger Name steht auf dem Türschild. Dabei steht
die KZ-Aufseherin Erna Wallisch auf der Liste der gesuchten
Nazis auf Platz vier. Jetzt wird ihr Fall neu aufgerollt.
Die heute 85-jährige Frau, Tochter eines Postbeamten aus Thüringen, war Aufseherin
im Konzentrationslager Ravensbrück und vom Oktober 1942 bis
zum Januar 1944 im Vernichtungslager Majdanek bei Lublin
(Polen). Erna, geborene Pfannenstiel, begegnete dort Georg
Wallisch, den sie im März 1944 heiratete.
«Schwangeres Nazi-Monster»
Überlebende beschrieben die Frau als
Sadistin, die Opfer selektierte und sie bewachte, als sie
zu den Gaskammern geführt wurden.
Die ehemalige Insassin Jadwiga Landowska
erinnert sich, wie die damals schwangere Wallisch Leute totschlug.
«Das schwangere Nazi-Monster-Weib, das verrückt wurde und
uns angriff, war nicht unter denen, die nach dem Krieg vor
Gericht standen», sagte sie laut der britischen Zeitung «Daily
Mail».
«Die Schwangere schlug einen kleinen
Jungen, der auf dem Boden lag, mit etwas, das härter war
als eine Peitsche. Blut strömte aus seinem Kopf und er gab
kein Lebenszeichen mehr von sich. Das schwitzende, atemlose
Gesicht dieses Monsters ist etwas, das ich niemals vergessen
werde», fuhr Landowska fort.
Nichts getan, nichts gesehen
Wallisch selber behauptete, sie habe
«kaum Kontakt zu Häftlingen gehabt». Sie habe lediglich Gefangene
beaufsichtigt, zum Beispiel in der Schneiderei und Gärtnerei.
«Zu Weihnachten 1943 war ich dann auch schon weg», sagte
Wallisch der österreichischen Zeitung «Der Standard» über
ihren Einsatz in Majdanek.
Mit den Massenmorden habe sie nichts
zu tun gehabt, sie habe «so etwas auch nicht gesehen». Dabei
hatten die Nazis in Majdanek schon im Herbst 1942 eine Vergasungsanlage
eingerichtet. Ein Jahr später wurden bei der «Aktion Erntefest»
sämtliche 17 000 Häftlinge an einem einzigen Tag erschossen.
Verfahren eingestellt
Schon in den 70er-Jahren war ein Verfahren
gegen Wallisch eingeleitet worden, doch die vorgelegten Beweise
hätten, so berichtet Welt.de, nicht dafür ausgereicht, der
Frau die direkte Beteiligung an einer Tötungshandlung nachzuweisen.
Sämtliche anderen Delikte von Wallisch waren nach österreichischem
Recht damals schon verjährt. Noch 2005 erklärte der Pressesprecher
der Justizministerin Gastinger, für einen «direkten Mord»
lägen nicht genügend Beweise vor.
«Paradies für NS-Verbrecher»
Nazi-Jäger Efraim Zuroff vom Simon-Wiesenthal-Center
(SWC) in Jerusalem, das die KZ-Schergin auf dem vierten Rang
der schlimmsten noch lebenden Nazis listet, kritisierte die
österreichische Justiz heftig. «Gemäss dem Gesetz hier» sei
ihre Rolle bei den Vergasungen damals als von «nicht entscheidender
Bedeutung» eingestuft worden. Dabei habe Wallisch die mutmasslichen
Verbrechen einmal selbst zugegeben. «Österreich ist ein Paradies
für NS-Verbrecher», sagte Zuroff heute bei einer Pressekonferenz
in Wien.
Neue Beweise
Die Wiener Staatsanwaltschaft hat
nun neue Ermittlungen gegen Wallisch eingeleitet. Neues Beweismaterial
sei von dem polnischen Institut für Nationales Gedenken (IPN)
geliefert worden, berichtete der Radiosender Radio Wien am
Freitag. Mit den Aussagen von fünf neuen Zeugen könnte der
Fall neu aufgerollt werden.
Justizsprecher Gerhard Jarosch sagte,
es sei «wieder einmal ein Kampf gegen die Zeit» - angesichts
des Alters der Beschuldigten.
«Ich verstehe nicht, warum das jetzt
wieder aufkommt», klagte Wallisch gegenüber dem «Standard».
Schon im Februar 2006 hatte Zuroff
an die polnische Regierung appelliert, die Auslieferung von
Wallisch zu betreiben, da das polnische Gesetz keine Verjährung
für Kriegsverbrechen vorsieht.
20min.ch
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