Irritation in Polen: Eine Telefon-Hotline
nimmt Hinweise auf Kollaborateure im Zweiten Weltkrieg und
Kriegsverbrecher entgegen.
Warschau- "Dieser
Gedanke bereitet mir Abscheu", sagte der ehemalige Außenminister Bronislaw Geremek, Sohn eines von den Nationalsozialisten
in Auschwitz ermordeten Rabbiners, gegenüber dem Rundfunksender "Radio Zet". "Ich wünschte mir eher, dass die ganze Welt weiß, wie viel Gutes Polen für andere
Polen getan haben, indem sie Juden retteten", meinte Geremek.
Telefon-Hotline
Das Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem
hatte Anfang der Woche angekündigt, im Rahmen des Projekts "Letzte Chance" in Polen eine Telefon-Hotline zu schalten. Anrufer sollen Hinweise auf Kollaborateure
im Zweiten Weltkrieg, Kriegsverbrecher und auf andere Personen
geben, die Juden verfolgten. Eine ähnliche Aktion hat es
bereits in den baltischen Staaten gegeben.
"Eine schlechte Idee",
kommentierte am Mittwoch auch Adam Michnik, der Chefredakteur
der liberalen "Gazeta Wyborcza". Ein Kopfgeld mache den Weg frei für "Abrechnungen, lügnerische Anklagen und demagogische Verallgemeinerungen". Auch Witold Kulesza, der stellvertretende Direktor des "Instituts des Nationalen Gedenkens" (IPN), das nationalsozialistische und stalinistische Verbrechen ahndet, zeigte
sich irritiert. "Ich bin verwundert, dass Polen an ein Projekt angebunden wird, das die baltischen
Staaten und jene Länder Osteuropas umfasst, die mit Hitler
zusammenarbeiteten", kommentierte er in der "Gazeta Wyborcza". Als einziges Land in der Region habe Polen seit 1945 konsequent Verbrechen
gegen die Menschlichkeit verfolgt.
Das Wiesenthal-Zentrum, eine der größten
internationalen jüdischen Menschenrechtsorganisationen, will
alle Hinweise auf Kollaborateure und Kriegsverbrecher an
das IPN weiterleiten. Das Institut ermittelt in Polen mit
staatsanwaltlichen Vollmachten.
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