Er kam 1948 zur Welt, drei Jahre, nachdem das Grauen in Europa zu Ende
war. Efraim Zuroff, bekanntester Nazi-Jäger und Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums
in Jerusalem, nimmt den Anruf persönlich entgegen, keine Sekretärin,
keine Warteschlaufe, stattdessen seine tiefe Stimme: «Hören Sie,
natürlich bin ich frustriert, schliesslich habe ich die letzten
Jahre intensiv nach ihm gesucht.» Ihm, das ist Aribert Heim, Schlächter
im Konzentrationslager Mauthausen, besser bekannt als «Doktor Tod».
Noch 2007 vermutete ihn Zuroff «irgendwo in Patagonien», er war
sich zu «95 Prozent sicher», sprach mit Heims Tochter Waltraud
im September in Innsbruck, «ich dachte, wir wären ganz nah», nun
wollen Recherchen der «New York Times» und des ZDF beweisen, dass
Heim vor sechzehn Jahren gestorben sein soll. Nicht irgendwo in
Patagonien. Sondern in Kairo an Krebs.
Herr Zuroff, war Ihre Arbeit sinnlos? «Hören Sie, wir haben es nicht geschafft,
natürlich ist das ärgerlich. Ich frage mich, wer dem ZDF den entscheidenden
Tipp gab.»
Im Brooklyn der Fünfzigerjahre wächst Zuroff wohlbehütet
auf, die erste Berührung mit dem Holocaust findet vor dem Fernseher
statt, Eichmann-Prozess, 1961. «Meine Mutter sagte mir: Schau dir
das an, das ist wichtig», doch er verstand «kein Wort». Lieber
malte er sich aus, wie es wäre, als Basketballprofi zu spielen,
«der erste orthodoxe Jude in der NBA, das wollte ich werden.» Nach
Punkten jagen statt nach Nazis.
Mit 23 zog er nach Israel, studierte jüdische
Geschichte, arbeitete für das amerikanische Justizministerium,
bis er 1978 Simon Wiesenthal begegnete und sich ihm anschloss.
Seitdem sucht er nach Spuren, «wie ein Detektiv», die ihn zu den
letzten überlebenden Nazi-Verbrechen führen sollen, hartnäckig,
unerbittlich, sieben Tage die Woche. Aus Rache? «Aus Gerechtigkeit.»
Es war Zuroff, der herausfand, dass Dr. Josef
Mengele in Brasilien gestorben war, und es ist Zuroff zu verdanken,
dass SS-Oberscharführer Josef Schwammberger in Stuttgart verurteilt
wurde. Obwohl er unter der «emotionalen Last» seiner Arbeit leide,
spüre er «diese Verpflichtung zur Wahrheit», es sei «wie ein Drang»,
der ihm gelegentlich auch im Alltag in die Quere komme. «Schnappt
mir jemand den Parkplatz vor der Nase weg, obwohl ich länger warte,
kann ich wütend werden.»
Herr Zuroff, Heim ist tot, wen verfolgen Sie als
Nächstes? «Sándor Kepiro, beteiligt am Massenmord an Zivilisten
1942 in Novi Sad. Er lebt heute in Budapest, läuft frei herum,
dabei müsste er hinter Gitter.»
Warum jagen Sie überhaupt Nazis? «Weil ich Jude
bin.»
Was machen Sie, wenn der Letzte tot ist? «Wir
kämpfen gegen Antisemitismus und dagegen, dass die Geschichte verzerrt
dargestellt wird. Gehen Sie in Länder wie Litauen, die Schulbücher
sind voller Lügen.»
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